Rezension Rezension (5/5*) zu Der Abgrund in dir von Dennis Lehane.

ulrikerabe

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14. August 2017
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Wien
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Buchinformationen und Rezensionen zu Der Abgrund in dir von Dennis Lehane
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Der Abgrund hat gute Augen!

Rachel Childs ist ein vaterloses Kind. Ihre Mutter Elisabeth, Collegedozentin für Psychologie, verschweigt Rachel Zeit ihres Lebens den Namen des Vaters. Nach dem Tod der Mutter führt sie ihr Weg zu dem Privatdetektiv Brian Delacroix, um endlich eine Antwort auf die ihr bisheriges Leben beherrschende Frage zu erhalten. Auch wenn Brian den Auftrag nicht annehmen will, bleiben die beiden immer wieder in Email-Kontakt, selbst als Rachel schon längst mit Sebastian verheiratet ist und eine Karriere als TV-Journalistin absolviert. Ein beruflicher Einsatz in Haiti nach dem verheerenden Erdbeben bringt Rachel physisch und psychisch an ihre Grenzen. Eine Panikattacke vor laufender Kamera beendet ihre berufliche Laufbahn und in Folge auch ihre Ehe. Am emotionalen Tiefpunkt angelangt trifft sie wieder auf Brian. Die beiden werden ein Paar, Rachels Zustand bessert sich, bist sie merkt, dass Brian nicht der ist der vorzugeben scheint.
„Der Abgrund in dir“ beginnt mit einem Schluss, nämlich mit einem Schuss, den Rachel auf Brian abgibt. Was so böse endet, kann keinen guten Start haben, denkt man. Dabei handelt es sich bei diesem Buch nicht ausschließlich um einen Thriller, hier hat der diogenes Verlag schon gut daran getan das Buch als „Roman“ herauszugeben. Es ist über lange Zeit das Psychogramm einer jungen Frau auf der Suche, nach dem Vater, nach Antworten, nach Vergebung für vermeintliches Fehlverhalten. Sehr intensiv erleben wir Rachels Gefühlswelt, ihre Zerrissenheit und Labilität. Die emotionale Leere, in die die Mutter das Mädchen Rachel laufen ließ, als sie ihr den Namen des Vaters verweigert, die Sorge des Ehemanns Sebastian, um seine eigene Karriere, als Rachel versagt, der Verlust des einen Menschen, zudem sie vertrauen aufbauen konnte, machen Rachel zu der beeinflussbaren und formbaren Person, die Brian letztlich aufbauen und trotzdem massiv hintergehen kann. Doch im letzten Drittel des Buches ändert sich die Geschichte, die Dynamik und Geschwindigkeit. Die Geduld, die langsame und stetige Entwicklung der Personen, wird jetzt auch für den Thrillerleser belohnt. Was über so viele Seiten beharrlich aufgebaut wurde, eskaliert. Plötzlich ist da Gewalt, Blut und Tod.
„Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein“, wird Friedrich Nietzsche zugeschrieben. Der Abgrund in Rachels Leben hat sehr gute Augen!


 

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