Rezension Rezension (5/5*) zu Dead Lions: Ein Fall für Jackson Lamb von Mick Herron.

Leseglück

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7. Juni 2017
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Russische Schläfer

Auch im zweiten Band der Thrillerreihe von Mick Herron mit dem Titel "Dead Lions" stehen keine strahlenden Helden im Mittelpunkt, sondern herrlich unvollkommene Spione mit charakterlichen Schwächen, denen das Leben auf die eine oder andere Weise schon übel mitgespielt hat. Sie residieren im sogenannten Slough House. Dorthin werden Mitarbeiter des MI5 abgeschoben, die für die schicke Zentrale im Regent Park aus den unterschiedlichsten Gründen nicht mehr tragbar sind. Chef der Truppe ist der wunderbar skurrile Jackson Lamb. Auf den ersten Blick vielleicht ein "fettes Arschloch" wie er an einer Stelle im Roman charakterisiert wird. Je mehr man aber über ihn liest, um so mehr schätzt man seinen scharfen Verstand und seine unerschütterliche Loyalität zu seinen Mitarbeitern.


Die Ereignisse, die im ersten Band mit dem Title "Slow Hourses" beschrieben wurden, liegen nun schon einige Monate zurück. Jackson Lambs Truppe ist wieder in den Dornröschenschlaf gefallen. Man langweilt sich bei Routineaufgaben und hofft auf eine Gelegenheit sich zu profilieren, um dem Slough House zu entkommen. Diese Chance scheint sich nun zu ergeben. Ein ehemaliger britischer Spion wird in einem Londoner Bus tot aufgefunden, offiziell Herzinfarkt. Doch Jackson Lamb glaubt nicht an einen natürlichen Tod und lässt seine Leute in dieser Sache ermitteln. Die Nachforschungen legen eine deutliche Spur frei. Fast zu offensichtlich führen sie zu einem russischen Spion aus der Zeit des kalten Krieges. Dieser soll vor mehr als 30 Jahren eine Gruppe von Schläfern (also russische Spione im Wartezustand) nach England eingeschleust haben. Allerdings war dieser Spion nach Erkenntnissen des MI5 nur ein Phantom und damit auch seine Schläfer nicht real - und wenn doch? Warum sollten sie ausgerechnet jetzt, nach so langer Zeit und nach Ende des kalten Krieges wieder aufwachen?
Zeitgleich reist ein schwerreicher russischer Oligarch nach London, der von Agenten des Slough Houses während seines Besuches beschützt werden soll. Als geübter Thrillerleser ahnt man natürlich, dass es hier einen Zusammenhang gibt. Aber welchen?

Ein bisschen Konzentration erfordert es schon, diesen Roman mit seinem recht komplexen Plot zu folgen. Schließlich gibt es eine vielzahl von Akteuren, deren Gedanken und Handlungen man durch zahlreiche Persektivwechsel verfolgt. Dabei wird man immer wieder Zeuge von rasanten und witztigen Dialogen, die den Roman zu einem Lesegenuss machen. Mick Herron beherrscht dabei die Kunst, uns Leser*innen an der Nase herumzuführen. Es ist wie bei einer optischen Täuschung. Kaum glaubt man ein Muster erkannt zu haben, schon baut der Autor einen Twist ein, der das Bild zum Kippen bringt. So kann man bis zur überraschenden Auflösung des Falls herrlich spekulieren.

Insgesamt zeigt Mick Herron, dass Agententhriller auch in der Zeit nach dem Kalten Krieg noch spannend und unterhaltsam erzählt werden können. In England wurden bereits sechs Bände dieser Jackson Lamb Reihe erfolgreich veröffnetlicht. Wir können uns hier also noch auf weitere rasante, witzige und intelligente Agententhriller freuen.


 

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