Rezension (5/5*) zu Das Versprechen von Damon Galgut

Christian1977

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8. Oktober 2021
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Buchinformationen und Rezensionen zu Das Versprechen von Damon Galgut
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Der Untergang des Hauses Swart

Als die Mutter der 13-jährigen Amor im Jahre 1986 stirbt, herrscht Apartheid in Südafrika. Umso überraschender ist das titelgebende Versprechen, das sich die Schwerkranke von ihrem Mann kurz vor ihrem Tode hat geben lassen: Das Angestelltenhaus auf dem Gutsbesitz der Familie Swart soll in den Besitz des langjährigen Dienstmädchens Salome übergehen. Doch Ehemann Manie nimmt es mit diesem Versprechen nicht zu genau und so ist es an Zeugin Amor, sich für dessen Einhaltung einzusetzen. Ein Kampf, der nicht nur Amor mehr als 30 Jahre beschäftigen wird...

"Das Versprechen" ist der neue Roman des südafrikanischen Autors Damon Galgut, für den er mit dem Booker-Preis 2021 ausgezeichnet wurde. Es ist ein verdienter Preis, denn "Das Versprechen" ist ein Ereignis, ein außergewöhnlicher Roman, der eine schier unglaubliche Intensität ausstrahlt.

Das liegt vor allem an der ungewöhnlichen Art des Erzählens. Wie eine kleine Erzählerdrohne schwebt dieser allwissende Erzähler zwischen den handelnden Figuren hin und her. Oft wechselt die Perspektive mehrfach innerhalb von nur einer Seite. Dabei erinnerte er mich zeitweise an den großen katalanischen Schrifsteller Jaume Cabré, der diese Erzählweise allerdings auf die Spitze treibt und im großartigen "Die Stimmen des Flusses" manchmal gar innerhalb eines einzigen Satzes etwas völlig Neues erzählt. Ganz so experimentell geht Galgut nicht vor. Dennoch gelingt es ihm wirklich fantastisch, sogar kleinste Nebenfiguren so in den Erzählfluss einzubauen, dass man ihren Anteil an der Romanhandlung erst gar nicht richtig einschätzen kann und sich das erzählerische Wunder erst nach und nach entfaltet.

Besonders gelungen ist es, dass der Autor dabei auch vor Tieren und gar Wetterphänomenen keinen Halt macht. Da gibt es zwei Schakale, die wir in einer Nacht begleiten, nur um festzustellen, wie kurz der Weg zwischen Leben und Tod sein kann. Da gibt es einen alles hinwegspülenden Regenguss, der in einer großen Szene gleich mehrere Schicksale miteinander verknüpft. Und es gibt Bob, einen Obdachlosen, der sich eigentlich nur kurz seinem kleinen Geschäft widmen wollte, doch damit die Handlung des Romans fast schon nebenbei auf beeindruckende Art und Weise vorantreibt.

Der Erzähler spielt mit den Figuren, mit den Leser:innen, spricht diese manchmal direkt an, mischt eine Prise Sarkasmus in seine Bemerkungen und verliert darüber die Familie Swart doch nie aus den Augen. Denn letztlich sind es vor allem die drei Swart-Kinder Anton, Astrid und Amor, die sich mit den Folgen des "Versprechens" auseinandersetzen müssen - und daran kläglich scheitern. So verfällt nach und nach nicht nur die Familie selbst, sondern auch ihr Haus scheint - frei nach Edgar Allan Poe - seinem Untergang geweiht.

Doch "Das Versprechen" ist mehr als ein Familienroman. Es ist eine Generalabrechnung mit Südafrika, denn egal ob 1986 oder 2018 - nahezu immer schwingt die Enttäuschung des Erzählers über sein eigenes Land mit. Selbst nach der Apartheid ist dieses Land noch weit entfernt von einer Normalität, wenn es so etwas überhaupt je geben kann. Vom rassistischen Botha über den AIDS-Leugner Mbeki bis zum korrupten Zuma bekommen gleich drei ehemalige südafrikanische Präsidenten ihr Fett weg. Anhand der weißen Familie Swart und ihrer Angestellten macht Galgut nur scheinbar oberflächlich die Auswirkungen dieser Politik deutlich.

So ist "Das Versprechen" ein brillanter Roman geworden, der mich über weite Strecken staunend zurückließ. Staunend darüber, dass es dieser so klug konstruierte Roman geschafft hat, mich gleichermaßen zu bewegen, aber auch immer wieder zum Lachen zu bringen. Staunend vor allem aber auch deshalb, weil ich mir diese enorme Intensität, die das Buch ausstrahlt, manchmal selbst gar nicht erklären konnte.

 

Christian1977

Bekanntes Mitglied
8. Oktober 2021
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Gefreut hat mich Dein Bezug zu „ Die Stimmen des Flusses“, ebenfalls ein wunderbarer Roman.
Wie schön, dass du ihn auch kennst und er dir gefallen hat. Falls du rs noch nicht kennen solltest, kann ich dir vom selben Autoren auch noch das ebenfalls sehr gelungene "Das Schweigen des Sammlers" empfehlen.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Wie schön, dass du ihn auch kennst und er dir gefallen hat. Falls du rs noch nicht kennen solltest, kann ich dir vom selben Autoren auch noch das ebenfalls sehr gelungene "Das Schweigen des Sammlers" empfehlen.
Danke! Dieses Buch hat mir auch gefallen. Aber an „ Die Stimmen des Flusses“ kommt es nicht heran.
 
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Reaktionen: Christian1977

Literaturhexle

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2. April 2017
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Ah, das lag über Jahre hinweg auf meinem SuB und nun habe ich mich grad an Weihnachten dazu entschieden, es an meine Schwiegermutter weiterzugeben, da es bei mir nicht ungelesen rumliegen sollte...:oops:
Och, ich finde einen "Vorleser" manchmal gar nicht übel. Anhand des Feedbacks weiß man dann, ob man es lesen muss oder nicht;)
 

GAIA

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27. Dezember 2021
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Thüringen
Och, ich finde einen "Vorleser" manchmal gar nicht übel. Anhand des Feedbacks weiß man dann, ob man es lesen muss oder nicht
Ganz ehrlich: Bei meiner Schwiegermutter kann ich mich darauf aber nicht verlassen. Also "gar nicht". Ich habe gehofft, dass ihr der spannende Teil zusagt, sie ist nämlich eigentlich eine reine Krimi- und Thriller-Leserin und alles, was nicht offensichtlich spannend ist, gefällt ihr nicht. Deshalb habe ich mir auch nicht getraut, ihr das Buch direkt als "Weihnachtsgeschenk" zu geben, sondern ganz offen unter dem Label: "Bei mir liegt es rum, willst du es haben?"... Mal sehen, was sie sagt.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Zitat: "Vom rassistischen Botha über den AIDS-Leugner Mbeki bis zum korrupten Zuma bekommen gleich drei ehemalige südafrikanische Präsidenten ihr Fett weg". Die Kritik am Land ist da, but very subtil und von Fett weg bekommen doch weeeeiiit entfernt.

So schön zusammengefasst wieder!
 

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