Das Versprechen« erzählt vom zunehmenden Zerfall einer weißen südafrikanischen Familie, die auf einer Farm außerhalb Pretorias lebt. Die Swarts versammeln sich zur Beerdigung ihrer Mutter Rachel, die mit vierzig an Krebs stirbt. Die jüngere Generation, Anton und Amor, verabscheuen alles, wofür die Familie steht - nicht zuletzt das gescheiterte Versprechen an die schwarze Frau, die ihr ganzes Leben für sie gearbeitet hat. Nach jahrelangem Dienst wurde Salome ein eigenes Haus, eigenes Land versprochen ... doch irgendwie bleibt dieses Versprechen mit jedem Jahrzehnt, das vergeht, unerfüllt.
Mit großer erzählerischer Kraft und nah an den Personen schildert Damon Galgut eine Familiengeschichte, die sich über dreißig Jahre des politischen Umbruchs in Südafrika erstreckt - von der Apartheid bis hin zur Demokratie. Während sich das Land von den alten tiefen Spaltungen zu einer neuen, gerechteren Gesellschaft hin bewegt, schwebt über allem die Frage: Wie viel Verbitterung, wie viel Erneuerung, wie viel Hoffnung bleiben?Kaufen
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Als die Mutter der 13-jährigen Amor im Jahre 1986 stirbt, herrscht Apartheid in Südafrika. Umso überraschender ist das titelgebende Versprechen, das sich die Schwerkranke von ihrem Mann kurz vor ihrem Tode hat geben lassen: Das Angestelltenhaus auf dem Gutsbesitz der Familie Swart soll in den Besitz des langjährigen Dienstmädchens Salome übergehen. Doch Ehemann Manie nimmt es mit diesem Versprechen nicht zu genau und so ist es an Zeugin Amor, sich für dessen Einhaltung einzusetzen. Ein Kampf, der nicht nur Amor mehr als 30 Jahre beschäftigen wird...
"Das Versprechen" ist der neue Roman des südafrikanischen Autors Damon Galgut, für den er mit dem Booker-Preis 2021 ausgezeichnet wurde. Es ist ein verdienter Preis, denn "Das Versprechen" ist ein Ereignis, ein außergewöhnlicher Roman, der eine schier unglaubliche Intensität ausstrahlt.
Das liegt vor allem an der ungewöhnlichen Art des Erzählens. Wie eine kleine Erzählerdrohne schwebt dieser allwissende Erzähler zwischen den handelnden Figuren hin und her. Oft wechselt die Perspektive mehrfach innerhalb von nur einer Seite. Dabei erinnerte er mich zeitweise an den großen katalanischen Schrifsteller Jaume Cabré, der diese Erzählweise allerdings auf die Spitze treibt und im großartigen "Die Stimmen des Flusses" manchmal gar innerhalb eines einzigen Satzes etwas völlig Neues erzählt. Ganz so experimentell geht Galgut nicht vor. Dennoch gelingt es ihm wirklich fantastisch, sogar kleinste Nebenfiguren so in den Erzählfluss einzubauen, dass man ihren Anteil an der Romanhandlung erst gar nicht richtig einschätzen kann und sich das erzählerische Wunder erst nach und nach entfaltet.
Besonders gelungen ist es, dass der Autor dabei auch vor Tieren und gar Wetterphänomenen keinen Halt macht. Da gibt es zwei Schakale, die wir in einer Nacht begleiten, nur um festzustellen, wie kurz der Weg zwischen Leben und Tod sein kann. Da gibt es einen alles hinwegspülenden Regenguss, der in einer großen Szene gleich mehrere Schicksale miteinander verknüpft. Und es gibt Bob, einen Obdachlosen, der sich eigentlich nur kurz seinem kleinen Geschäft widmen wollte, doch damit die Handlung des Romans fast schon nebenbei auf beeindruckende Art und Weise vorantreibt.
Der Erzähler spielt mit den Figuren, mit den Leser:innen, spricht diese manchmal direkt an, mischt eine Prise Sarkasmus in seine Bemerkungen und verliert darüber die Familie Swart doch nie aus den Augen. Denn letztlich sind es vor allem die drei Swart-Kinder Anton, Astrid und Amor, die sich mit den Folgen des "Versprechens" auseinandersetzen müssen - und daran kläglich scheitern. So verfällt nach und nach nicht nur die Familie selbst, sondern auch ihr Haus scheint - frei nach Edgar Allan Poe - seinem Untergang geweiht.
Doch "Das Versprechen" ist mehr als ein Familienroman. Es ist eine Generalabrechnung mit Südafrika, denn egal ob 1986 oder 2018 - nahezu immer schwingt die Enttäuschung des Erzählers über sein eigenes Land mit. Selbst nach der Apartheid ist dieses Land noch weit entfernt von einer Normalität, wenn es so etwas überhaupt je geben kann. Vom rassistischen Botha über den AIDS-Leugner Mbeki bis zum korrupten Zuma bekommen gleich drei ehemalige südafrikanische Präsidenten ihr Fett weg. Anhand der weißen Familie Swart und ihrer Angestellten macht Galgut nur scheinbar oberflächlich die Auswirkungen dieser Politik deutlich.
So ist "Das Versprechen" ein brillanter Roman geworden, der mich über weite Strecken staunend zurückließ. Staunend darüber, dass es dieser so klug konstruierte Roman geschafft hat, mich gleichermaßen zu bewegen, aber auch immer wieder zum Lachen zu bringen. Staunend vor allem aber auch deshalb, weil ich mir diese enorme Intensität, die das Buch ausstrahlt, manchmal selbst gar nicht erklären konnte.
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