Rezension Rezension (5/5*) zu Das Museum der Welt: Roman von Christopher Kloeble.

kingofmusic

Bekanntes Mitglied
30. Oktober 2018
7.304
18.936
49
48
Ein bemerkenswertes Objekt

In fremde Länder und Kulturen mithilfe von Büchern zu reisen ist in Zeiten wie diesen (Corona sei Dank…) unerlässlich und hilfreich; werden wir uns wohl noch eine Zeit lang mit der Frage beschäftigen müssen, wann wir uns wieder „frei“ bewegen können…

Nun gut, sei´s drum. Als ich im letzten Jahr die Ankündigung sah, dass es ein Buch mit dem Titel „Das Museum der Welt“ und zudem eine Leserunde dazu geben soll, war ich sofort angefixt – hatte mich doch ein ähnlich tituliertes Werk („Der Archivar der Welt“ von Lia Tilon) bereits begeistert.

Jetzt, einige Tage nach der Lektüre von „Das Museum der Welt“ von Christopher Kloeble, kann ich den „King´s Crown Juwels 2020“ ein weiteres Stück hinzufügen – womit das Fazit bereits vorab genannt sei.

Das mit einem großartigen Cover (wo ist der Tigerkopf? *g*) und einem Lesebändchen versehene Buch befasst sich mit den mir (bisher) unbekannten Brüdern Adolph, Hermann und Robert Schlagintweit und ihrer „Forschungsreise“ durch Indien Mitte der 1850er Jahre, die sogar von Alexander von Humboldt unterstützt wurde(n).

Anhand der Notizen des „mindestens“ 12-jährigen (fiktiven) Bartholomäus, den die Schlagintweits auf ihrer Reise als Übersetzer anheuern, werden die Leser*innen unmittelbare Zeugen dieser Reise, die das ganze Land umfasst. Christopher Kloeble fährt hier ein geniales Konzept: statt Kapitel gibt es knapp 100 „bemerkenswerte Objekte“, die Bartholomäus seinem „Museum der Welt“ hinzufügt. Und so hat die geneigte Leserschaft das Gefühl, durch ein Museum zu wandern und die Objekte anhand von Texttafeln kennenzulernen! Großartig!

Und so begleiten wir Bartholomäus, die Köchin Smitaben und die Brüder Schlagintweit von Bombay über Calcutta bis ins Himalaya-Gebirge und nach Tibet. Dabei immer die Frage nach Sinn und Unsinn von Kolonialismus im Kopf; ein Thema, dass sich durch die ganze Handlung zieht und zur damaligen Zeit großes Thema in Indien war.

Mit Bartholomäus hat Christopher Kloeble einen bemerkenswerten Charakter geschaffen: klug, frech, witzig, schlagfertig – auf Grund seiner Sprachgewandtheit, seinen zum Teil äußerst philosophischen Gedanken und seiner zugleich offenen und trockenen Art ist man sofort „verliebt“ in diesen Haudegen, der nicht nur einmal im Lauf der Erzählung die Schlagintweits und andere „in die Schranken“ weist, verblüfft und so ihr „Inneres“ nach außen kehrt. Am Ende hat er dann auch noch „sich selbst“ und seinen Platz in der indischen Gesellschaft gefunden! Definitiv einer der stärksten literarischen Charakter, die ich in letzter Zeit „kennenlernen“ durfte!

Den Anfang des Buches bildet ein äußerst lesenswertes Interview mit Christopher Kloeble über seine Motivation zu seinem Roman sowie ein kurzer Text seiner Schwiegermutter Dr. Jutta Jain-Neubauer über die (zeit-)geschichtliche Einordnung der Reise.

Wenn es überhaupt etwas zu „verbessern“ gäbe an diesem Roman, dann wäre das das Hinzufügen eines Namensregisters sowie ein Glossar der (wichtigsten) indischen Begriffe und über die umfangreichen Bevölkerungsgruppen. Das ist aber „jammern“ auf allerhöchstem Niveau und schmälert meine Begeisterung für diesen Roman nicht im Geringsten!

Klare Leseempfehlung und 5*!

@kingofmusic


 
  • Hilfreiche Rezension
Reaktionen: Literaturhexle