Rezension Rezension (5/5*) zu Das hungrige Krokodil: Familienroman von Sandra Brökel.

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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„Mama, ich habe Hunger!““Dann iss, mein Kind – auf dass du groß und stark wirst.“ Könnten Krokodile reden, würde es wahrscheinlich so klingen.

Nun ist Sandra Brökel´s „Das hungrige Krokodil“ mitnichten eine Fabel – dafür aber fabelhaft :).

Es geht um das Leben von Doktor Pavel Vodák, der 1970 mit seiner Familie von Prag über Jugoslawien nach Deutschland flüchtet. Wie es dazu kommt, dass Sandra Brökel einen Roman über einen ihr fremden, aber dennoch verbundenen Psychiater und Kinderarzt schreibt, wird schnörkellos und offen in „Pavel und ich“ (ebenfalls von Sandra Brökel) beschrieben.

Doch konzentrieren wir uns jetzt und hier auf „Das hungrige Krokodil“. Der Roman beginnt mit dem letzten Tag von Pavel Vodák und seiner Familie in Prag, bevor sie den gemeinsamen Jugoslawien-Urlaub zur Flucht nutzen. Es gibt allerdings ein Problem: seine Schwiegermutter (liebevoll von ihm „Pirat“ genannt) und seine Tochter Pavli (Paula - später eine Freundin von Sandra Brökel) wissen nichts von der Flucht…

Nach und nach „rollt“ Sandra Brökel Doktor Vodáks Leben vor den Augen der geneigten Leserschaft aus; von seinen Anfängen als Medizinstudent, die ihm (nicht nur) sprichwörtlich auf den Magen schlagen *g*, über die Schrecken des Krieges und seine manchmal etwas naiv wirkende „Unwissenheit“ und Passivität bis hin zu dem Ereignis, dass ihn letztlich dazu bewegt, seiner Heimatstadt Prag den Rücken zu kehren: dem Prager Frühling (August 1968). Ein Thema, über dass ich bisher nur (wenn überhaupt) rudimentär etwas wusste. Nach den eindrücklichen Schilderungen Sandra Brökel´s aber, werde ich wohl tiefer einsteigen (müssen).

Sandra Brökel romantisiert Pavel nicht; sie beschreibt ihn so, wie jeder Mensch ist: mit Ecken, Kanten, (Selbst-)Zweifeln, Fehlern – als Leser*in möchte man Pavel manchmal schütteln. Gleichzeitig kommen dann einem aber Gedanken wie „Wie hätte ich mich an seiner Stelle verhalten?“ – und schon schließt man wieder „Frieden“ mit ihm.

Das titelgebende Krokodil steht hier übrigens für Populismus, Extremismus – für alles, was antidemokratisch und menschenverachtend ist. In Zeiten wie diesen ist es fast schon erschreckend zu sehen und zu lesen, wie hungrig das Krokodil immer noch ist.

Der studierten Schreib- und Trauertherapeutin Sandra Brökel ist mit „Das hungrige Krokodil“ ein lehrreicher, überaus unterhaltsamer Roman gelungen und man kann es dem Bielefelder Pendragon-Verlag nicht genug danken, dass sie ihr ein literarisches „Zuhause“ gegeben haben!

Hut ab und glasklare 5*-Leseempfehlung!

©kingofmusic