Die Villa Rosen, ein neoklassizistisches Landhaus, wird 1909 von dem später zu Weltruhm gelangenden Architekten Max Taubert für einen Professor Adam Rosen und seine Frau Elsa entworfen. Als Frieder und Hannah Lekebusch Mitte der Neunzigerjahre das leer stehende Haus am Rande des Berliner Grunewalds entdecken, erliegen sie seinem verwunschenen Charme. In einer aufwendigen Restaurierung stellen die Lekebuschs den Originalzustand des Hauses wieder her, und schnell wird die neu erstrahlende Dahlemer Villa als »Kleinod der Vormoderne« zum Pilgerort für Taubert-Fans, Künstler und einflussreiche Journalisten. Und – wie schon in der Weimarer Republik und zur NS-Zeit – zum Spielball der Interessen. Sie wollten den alten Geist des Hauses wiedererwecken, doch mit den Auswirkungen des Ruhms und dem langen Schatten der Vergangenheit haben die Lekebuschs nicht gerechnet.
Kunst, Moral, privates Glück und Politik: ›Das Gartenzimmer‹ spannt einen Bogen von der Aufbruchsstimmung zu Beginn des 20. Jahrhunderts über die Weimarer Republik und die Herrschaft der Nationalsozialisten bis in die Gegenwart. Andreas Schäfer erzählt klug, feinfühlig und fesselnd vom Schicksal eines Hauses in Berlin-Dahlem und dem Leben derer, die sich seiner sirenenhaften Wirkung nicht entziehen können.Kaufen
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Man bekommt in dem 352 seitigen Roman einen interessanten und lebendigen Einblick in den Alltag und das Innenleben einiger Familien und Personen, bewegt sich dabei auf zwei Zeitebenen und wird mit erschütternden historischen Ereignissen konfrontiert.
Wir lernen Max Taubert, den Architekten, und seine Frau, die Malerin Lotta, kennen.
Sie haben zwei Töchter, die Zwillingsmädchen Monika und Josepha.
Wir begleiten das Ehepaar Elsa und Adam Rosen.
Es lässt sich vom Architekten Max Taubert die „Villa Rosen“ entwerfen, das Gebäude, in dem sich das titelgebende Gartenzimmer befindet.
Hannah und Frieder Lekebusch kaufen Jahrzehnte später die sich im Verfall befindliche Villa Rosen und lassen sie aufwändig restaurieren, so dass der Ursprungszustand wiederhergestellt wird.
Und dann lernen wir auch noch die Haushälterin der Rosens und die brasilianische Putzfrau der Lekebuschs und deren Tochter Ana kennen. Drei Menschen, die im Verlauf des Romans keine ganz unbedeutenden Rollen spielen.
So viel zum grob orientierenden Überblick, jetzt ein paar Worte zum Inhalt:
1908, Berlin-Schöneberg.
Der junge Architekt Max Taubert wird vom einschüchternden Herrn Prof. Rosen und seiner sympathischen Gattin im Atelier aufgesucht.
Sie wollen in Dahlem ein Landhaus bauen lassen und suchen einen jungen Architekten für ihr Projekt.
Diese Villa am Grunewald ist Tauberts erster Auftrag.
Voller Leidenschaft stürzt er sich in die Arbeit und gebannt verfolgt er den Baufortschritt.
Im Verlauf lernt man das widersprüchliche Ehepaar Rosen, das seinen Sohn bei einem tragischen Unfall verloren hat, näher kennen. Wie zu erwarten, spielen dabei die beiden Weltkriege eine Rolle.
Im Wechsel zu dieser Geschichte rund um Max Taubert und die Rosens tauchen wir in die Welt der Lekebuschs ein, die zu Beginn des 21. Jh. in der Villa lebt.
Das Ehepaar Lekebusch, Hannah, eine Zahntechnikerin, und Frieder, der Besitzer eines Pharmaunternehmens, hat einen inzwischen 18jährige Sohn, Luis.
Die drei leben nun seit sechs Jahren in der denkmalgeschützten und renovierten Taubert-Villa.
Die Hausherrin Hannah macht regelmäßig Führungen, um der Öffentlichkeit diesen besonderen architektonischen Schatz nicht vorzuenthalten.
Ihr Gatte Frieder ist nicht begeistert von diesen Hausbesichtigungen, die für ihn nichts anderes als Einbrüche in seine Privatsphäre darstellen und er mißbilligt auch Hannahs Anbetung der neoklassizistischen Villa.
Immer wieder kommt es zu Konflikten und feindseligem Schweigen.
Eine Paartherapie soll die Eheleute wieder zusammenbringen und die Trennung verhindern.
Auch Luis fühlt sich zunehmend unwohl in dem Haus, das zum Lebensinhalt seiner Mutter und zum Zankapfel seiner Eltern mutiert.
Dann steht ein bedeutender Empfang mit wichtigen und bekannten Persönlichkeiten an und ein Brief mit brenzligem Inhalt rückt ins Zentrum des Geschehens.
In dem Roman wird der Leser immer wieder von feinfühligen, psychologisch nachvollziehbaren und berührenden, aber niemals rührseligen Passagen überrascht.
Es ist z. B. so einleuchtend warum Frau Rosen abseits vom Trubel der Großstadt wohnen will und die Beweggründe der Eheleute Lekebusch für den Kauf der Taubert-Villa sind nicht nur nachvollziehbar, sondern auch schlüssig und interessant.
Neben dieser ruhigen, psychologisch stimmigen Erzählweise, die nicht emotional ist, aber Emotionen erweckt, ist meines Erachtens die schöne Sprache zu erwähnen, die angereichert wird mit Metaphern, Wortspielen, Doppeldeutigkeiten und Formulierungen.
Drei Beispielen dazu:
„... stieg die alte Wut in ihm hoch, eine Wut, die ihm seit Kindertagen vertraut und die inzwischen so trüb geworden war, dass er ihren Grund schon lange nicht mehr erkennen konnte.“ (S. 149)
„Adams (Professor Rosen) fordernde Strenge, die sich beim geselligen Zusammensein in eine väterlich interessierte Milde verwandelt...“ (S. 166)
„das Sonnenlicht kam von der anderen Seite, ließ die Kratzer in der Scheibe aufleuchten wie die Zeichen einer unverständlichen Geheimschrift.“ (S. 179)
Mir gefiel die durchgehend unaufgeregt erzählte und fesselnde Geschichte in schöner Sprache.
Vielleicht sollte ich aber nicht von EINER Geschichte, sondern von MEHREREN Geschichten sprechen. Denn es sind ja, wie bereits erwähnt, zwei Zeitebenen, mehrere Familien und mehrere Personen, die man im Verlauf gut kennenlernt, wobei letztlich alles durch die Villa mit dem Gartenzimmer miteinander verwoben und verbunden wird.
Während ich zu Beginn nur interessiert war, wurde ich zunehmend neugierig und gespannt und musste ich nicht selten über psychologisch überzeugende Details anerkennend staunen.
Als es dem Ende zuging, kamen bedrückende Momente von ungläubigem Entsetzen dazu.
Am Ende fragte ich mich, ausgelöst durch eine Unterhaltung zwischen Vater und Sohn Lekebusch:
„Ist es tatsächlich der Ort selbst oder sind es nicht vielmehr die Assoziationen, die die Gefühle AN diesem oder ÜBER diesen Ort auslösen?
Und wenn es „nur“ die Assoziationen sind, lassen sich aversive Gefühle dann überhaupt überwinden?
Oder muss man „einfach nur“ einen Umgang damit finden?“
Ich empfehle den Roman sehr gerne weiter und bin froh, ihn gelesen zu haben.
Ein Highlight.
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