Rezension (5/5*) zu Blue Skies: Roman von T.C. Boyle

RuLeka

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30. Januar 2018
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Buchinformationen und Rezensionen zu Blue Skies: Roman von T.C. Boyle
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Realistisches Szenario, satirisch überspitzt


Der 74jährige T.C.Boyle ist einer der ( vor allem in Deutschland ) erfolgreichsten und interessantesten US-amerikanischen Schriftsteller der Gegenwart. In seinen Büchern greift er gerne aktuelle Themen auf, so auch in seinem neuesten Roman „ Blue Skies“.
Der Titel und das Cover stehen aber nicht für unbeschwertes Sommerfeeling, sondern für einen beständigen wolkenlosen Himmel und somit für extreme Trockenheit und Dürre. T.C.Boyle thematisiert hier die Klimakatastrophe und ihre Auswirkungen auf die Menschen und ihren Alltag.
Das macht er ganz konventionell anhand einer Familiengeschichte. Im Zentrum stehen die Eltern Ottilie und Frank mit ihren beiden erwachsenen Kindern Cooper und Cat.
Die Tochter lebt mit ihrem Verlobten Todd, einem Werbebotschafter für Baccardi- Rum in Florida in einem geerbten Strandhaus. Cat, oberflächlich und gelangweilt, kauft sich aus einer Laune heraus eine Tigerpython und erhofft sich als „ Schlangenlady“ einen großen Erfolg als Influencerin.
Cooper dagegen hat als Insektenforscher die Zeichen der Zeit erkannt. Schon lange weiß er um das dramatische Insektensterben und dessen Folgen. „ Der Planet stirbt, siehst du das nicht?“ fragt er seine Mutter. Doch die versucht dagegen anzugehen, bewusster und nachhaltiger zu leben. Zuerst einmal stellt sie die Ernährung um, besorgt sich einen Grillenbrutapparat und serviert ihren Gästen Cookies aus Grillenmehl und frittierte Heuschrecken.
Aber es sind hilflose Versuche, etwas aufzuhalten, was schon längst in der Realität angekommen ist. Der Mensch hat schon viel zu lange gegen die Natur gelebt und nun schlägt sie zurück. Boyle lässt die Familie von einer Katastrophe in die nächste wanken.
Cats wenig artgerechte Haltung einer gefährlichen Würgeschlange in einem Terrarium in ihrem Haus hat Folgen. Willie, wie die Python zärtlich von Cat genannt wird, verschwindet eines Tages spurlos, um erst dann wieder aufzutauchen, um von der als Ersatz gekauften zweiten, etwas größeren Schlange aufgefressen zu werden. Das ist aber erst der Anfang, die eigentliche Tragödie für Cat und ihre Familie wird noch kommen.
Auch bei Ottilie läuft einiges schief. Ihre euphorisch begonnene Aufzucht von Grillen endet damit, dass eines Morgens alle Tiere im Brutapparat tot sind. Und der nächste Versuch mit einem Bienenstock endet genauso. Was kann man denn noch tun, fragt sich Ottilie verzweifelt und schwimmt erstmal ein paar Runden im Pool.
Während viele nützliche Insekten aussterben, vermehren sich Zecken rapide und werden zu einer lebensbedrohenden Gefahr. Das bekommt Cooper nach einem Zeckenbiss schmerzhaft zu spüren.
Doch nicht nur die Tiere spielen verrückt, sondern auch das Wetter. In Kalifornien, wo Cooper und seine Eltern leben, brennt eine unbarmherzige Sonne vom Himmel und treibt das Thermometer ständig nach oben. Seit Monaten fällt kein Tropfen Regen, der Boden ist dürr und unfruchtbar und der kleinste Funke lässt Häuser und Wälder brennen.
Bei Cat und Todd in Florida dagegen regnet es unablässig. Der Meeresspiegel steigt, die hölzernen Stützpfähle vom Strandhaus faulen im Wasser und Termiten nisten sich im feuchten Holz ein. Die meisten Nachbarn haben ihre Häuser bereits verlassen, nur Cat versucht auszuhalten, auch wenn das heißt, dass sie ihr Haus nur noch mit dem Boot verlassen kann.
T.C. Boyle kennt keine Gnade mit seinen Figuren. Er zeichnet sie als typische Zeitgenossen, die entweder unbeirrt an ihrem Lebensstil festhalten und die Fakten ignorieren wie Cat und Todd oder als hilflose Endzeitpropheten, die mit ihren Statistiken dagegenhalten wie Cooper und seine Wissenschaftskollegen.
Einzig Ottilie gehört die volle Sympathie des Lesers. Ihre Versuche die Katastrophe aufzuhalten wirken gleichzeitig rührend und hilflos. Der Alkoholkonsum aller Protagonisten wird im Verlaufe des Romans enorm ansteigen.
Aber der Autor mutet ihnen auch viel zu. Immer wenn man denkt, es reicht, folgt der nächste, noch härtere Schicksalsschlag.
T.C.Boyle beginnt seine Geschichte in der Gegenwart und lässt sie in einer nahen Zukunft enden. Er entwirft ein sehr realistisches Szenario und zeigt, wie ganz gewöhnliche Menschen damit umgehen. Lösungen kann er keine bieten, Schlüsse muss der Leser selber ziehen. Man erfährt hier auch nicht unbedingt Neues, doch dadurch, dass er die bekannten Fakten in eine Erzählung einbindet, erreicht er den Leser auf der emotionalen Ebene.
Manches ist satirisch überspitzt, das sorgt für Witz und Komik, trotz des ernsten Themas.
Viele der vierundzwanzig Kapitel enden mit einem Cliffhänger. Das macht den Roman zu einem unglaublich spannenden, aber auch erschreckenden Leseerlebnis. Der Autor spart nicht mit drastischen und verstörenden Szenen.
Nur am Ende gönnt er dem Leser einen kleinen Lichtblick.

 

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