Rezension (5/5*) zu Auf der Lauer liegen von Liz Nugent

Renie

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Buchinformationen und Rezensionen zu Auf der Lauer liegen von Liz Nugent
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Familiengeheimnisse

Wie in vielen Krimis steht am Anfang das Verbrechen. Bei „Auf der Lauer liegen", dem aktuellen Roman der irischen Krimi-Autorin Liz Nugent wissen wir, dass Lydias Ehemann die Schlampe Annie Doyle umgebracht hat.
„Mein Mann hatte eigentlich nicht vor, Annie Doyle umzubringen, aber diese verlogene Schlampe hat es nicht anders verdient.“
Eine ungewöhnliche Ausdrucksweise für jemanden wie Lydia. Denn das Ehepaar Fitzsimons gehört Dublins vornehmer Upper Class an. Standesgemäß lebt man auf einem sehr großzügigen Anwesen, zusammen mit dem 17-jährigen Sohn Laurence.
Andrew ist Richter, Lydia ist Ehefrau und Mutter. Insbesondere Lydia ist sehr snobistisch und legt Wert auf Form und Etikette. Wie kommt es nun, dass ein angesehener Richter einen Mord an einer jungen Frau begeht, zumal es scheinbar keinerlei Verbindungen zwischen ihr und der Familie Fitzsimons gibt?
Dies ist eine von vielen Fragen, die im Verlauf dieser packenden Geschichte aufkommen und erst nach und nach beantwortet werden.
Die Handlung wird dabei in drei aufeinander folgende Zeitabschnitte gegliedert:
1980 - der einleitende Teil dieses Romans behandelt die Zeit des Mordes sowie den darauffolgenden Monaten
1985 - der Hauptteil dieses Romans, der auf ein fulminantes Ende hinausläuft:
Mittlerweile ist Gras über die Sache gewachsen, die Fitzsimons scheinen unentdeckt mit dem Mord davonzukommen. Jeder lebt sein Leben, auch wenn die Erinnerung an das Verbrechen immer wieder einen Schatten auf die Normalität des Alltags wirft. Sohn Laurence ist mittlerweile erwachsen
2016 - ein kurzer Abschlussteil dieses Romans, der die Wogen, des erzählerischen Sturms des vorangegangenen Hauptteils glättet und den Adrenalinpegel des Lesers auf ein erträgliches Maß herunterfährt
Der Roman "Auf der Lauer liegen" ist ein unfassbar fesselnder Psychokrimi, dessen Spannung durch das Zusammenspiel von drei Ich-Erzählern entsteht:
Mutter Lydia, versnobte Übermutter mit psychischen Problemen; ihre größte Angst: von ihrem Sohn verlassen zu werden
Sohn Laurence, der im Verlauf der Handlung vom Pubertier zum Erwachsenen wird, sich aber dennoch dem Einfluss seiner Mutter nicht entziehen kann. Laurence kennt das dunkle Familiengeheimnis
Karen Doyle, Schwester des Mordopfers; Annies Leiche wurde nie gefunden; daher gilt Annie im Laufe der Jahre offiziellals „vermisst"; Karen will sich nicht mit dem Verschwinden ihrer Schwester abfinden. Die Familie Fitzsimons ist ihr zunächst unbekannt. Doch Karen und Laurence werden sich irgendwann begegnen, was kein Zufall ist. Autorin Liz Nugent liefert dafür eine logische Erklärung.
Die Erzählperspektive wechselt mit jedem Kapitel, wobei wichtige Ereignisse in der Schilderung eines vorangegangenen Ich-Erzählers von den nachfolgenden Protagonisten aufgegriffen werden und somit unterschiedliche, zum Teil voneinander abweichende Sichtweisen entstehen.
Die Stimmung in diesem Roman erinnert immer wieder an den morbiden Charme von Daphne du Mauriers "Rebecca". Du Mauriers Manderly ist bei Liz Nugent allerdings ein Avalon, Heimstatt der Familie Fitzsimons und spielt ebenfalls eine wichtige Rolle.

Fazit:
Ein unfassbar spannender Psycho-Krimi, mit einem bemerkenswerten Aufbau und grandios gestalteten Charakteren, deren Zusammenspiel voller verblüffend böser Überraschungen steckt. Leseempfehlung!


von: Robert Seethaler
von: Claudia Piñeiro
von: Stefanie vor Schulte
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Wieder so ein Schätzchen, Renie! Das muss ich gelegentlich auch mal lesen und sei es über die Onleihe. Gewohnt differenzierte Rezension:)!
 
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Literaturhexle

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Ich will dir nur deinen Buchbestand nicht kürzen, liebe Renie. Hatte es nur gut gemeint;)
Nein, für.mich passt das: so einen Krimi ohne Pflichten kann ich über die onleihe gut lesen.
 

Renie

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Sehr, sehr gern. Aber besser nicht gleich, bei mir drängen sich gerade zwei Leserunden sehr eng zusammen, ich könnte es dir nicht zeitnah zurücksenden.
Adresse müsste bekannt sein, oder?
Vielen Dank schon mal!
Um Himmels Willen! Bloß nicht zurückschicken! :eek::eek::eek: Ich bin froh, wenn ich Bücher loswerde ;) Deine Adresse habe ich natürlich und bringe das Buch in der nächsten Woche auf den Weg. Lies es einfach ohne irgendeine Verpflichtung und hab Spaß damit.:smileeye
 
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Ich habe das Buch inzwischen gelesen (nochmals danke an @Renie ) und kann mich dem allgemeinen Lob nur anschließen.
Mit "Rebecca" würde ich es nicht vergleichen, allenfalls was die zentrale Rolle des Hauses Avalon betrifft, das als so eine Art Hort der Seligkeit erscheint, für dessen Erhalt ein Opfer zu groß ist. Eine Charakterentwicklung wie bei der Erzählerin in "Rebecca" vom etwas naiven kleinen Mädchen zur tatkräftigen smooth operator fehlt. In "Auf der Lauer liegen" scheinen alle Personen Opfer im Sog der Ereignisse zu sein. Insoweit ist Liz Nugent eine Verwandte von Ruth Rendell (die diese Eigenart ihrer Bücher übrigens dem Vorbild Shakespeare zuschreibt). Liz Nugent erzählt allerdings weit straffer und "moderner" als die Rendell.

Lydia, die sich im Lauf der Erzählung mehrmals "häutet", ist entsprechend spannend und vielschichtig, obwohl man sie von Anfang an nicht mag, ich jedenfalls nicht. Die interessanteste und tragischste Figur ist ihr Sohn Laurence, der immer das Beste will und sich immer wieder bis zum Weißbluten einsetzt .... aber ... der Lauf des Verhängnisses ist nun mal nicht aufzuhalten.
Leseempfehlung!
 

Renie

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Mit "Rebecca" würde ich es nicht vergleichen, allenfalls was die zentrale Rolle des Hauses Avalon betrifft, das als so eine Art Hort der Seligkeit erscheint, für dessen Erhalt ein Opfer zu groß ist.
Mein Vergleich betraf nicht den Roman "Rebecca" an sich, sondern lediglich die Stimmung in diesem Roman bzw. die Bedeutung des Anwesens in beiden Romanen. Mehr nicht. Von einem Vergleich der Charakterentwicklung war bei mir überhaupt nicht die Rede. Ich käme auch gar nicht auf die Idee. :smileeye
Die Stimmung in diesem Roman erinnert immer wieder an den morbiden Charme von Daphne du Mauriers "Rebecca". Du Mauriers Manderly ist bei Liz Nugent allerdings ein Avalon, Heimstatt der Familie Fitzsimons und spielt ebenfalls eine wichtige Rolle.
 

Die Häsin

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Mein Vergleich betraf nicht den Roman "Rebecca" an sich, sondern lediglich die Stimmung in diesem Roman bzw. die Bedeutung des Anwesens in beiden Romanen. Mehr nicht. Von einem Vergleich der Charakterentwicklung war bei mir überhaupt nicht die Rede. Ich käme auch gar nicht auf die Idee. :smileeye
Ich zielte auch nicht auf Dein Post ab mit meinem eigenen - sorry, wenn es etwas widersprüchlich rüberkam. Ich meinte ebenfalls bloß das Haus und habe dann halt den Vergleich betr. die Hauptfiguren fortgeführt.
Hinzufügen möchte ich noch, dass der Roman nicht nur eine beinharte Klassensegregation vorführt, sondern auch (zumindest in den Teilen, die in den 80ern spielen) eine instutionelle Frauenverachtung, die ihresgleichen sucht. Zumindest in diesem Punkt waren die Achtziger kein Hort der Gemütlichkeit, an den man sich zurücksehnt.