Rezension (5/5*) zu Als die Welt zerbrach von John Boyne

HarleyQ

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13. September 2022
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Buchinformationen und Rezensionen zu Als die Welt zerbrach von John Boyne
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Gelungenes Meisterwerk

Anfangs war ich skeptisch, ob ich John Boynes Bücher früher nur gut fand, weil ich jung genug war. Oft habe ich es schon erlebt, dass Autor*innen, die eigentlich Kinderbücher schreiben, plötzlich ein Buch für ältere Leser*innen verfassen möchten und dann aber nicht den richtigen Ton treffen. Boyne aber hat es geschafft.
Gretel, Brunos Schwester (ja, der Junge, dessen bester Freund an jenem Ort einen gestreiften Pyjama trug) ist mittlerweile über 90 Jahre alt und lebt in London im Exil unter einer anderen Identität. In drei Abschnitten wird die Gegenwart und die Vergangenheit Gretels miteinander verwoben und die Leser*innen können sich ein Bild von ihrer Flucht machen. Gretel flieht nicht nur vor den Alliierten, die die Konzentrationslager befreiten, sondern auch vor ihrer eigenen Vergangenheit und ihrer Identität. Boyne stellt somit eine neue "Gretelfrage": Sind die Kinder aus der Zeit des Nationalsozialismus auch Mitschuld an dem, was geschehen ist? Hätten sie danach darüber reden müssen? Ist es ok, dass Gretel davon nichts mehr wissen möchte?
Gretel wirkt am Anfang eher unzugänglich, taut aber mit der Zeit immer mehr auf und durch die Episoden aus ihrer Vergangenheit, wird ihr Verhalten auch für die Leser*innen verständlich. Boyne hat eine Protagonistin erschaffen, mit der die Leser*innen mitfühlen und deren Probleme ans Herz gehen. Das Buch ist bestimmt keine Gute-Nacht-Geschichte, aber ein wichtiger Beitrag zur modernen Literatur!