Rezension (5/5*) zu Alle Wasser Stein: Roman von René Müller-Ferchland

Irisblatt

Bekanntes Mitglied
15. April 2022
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Sehr besonders ...

Nachdem mir der Roman „Niemanns Kinder“ so gut gefallen hat, wollte ich unbedingt noch René Müller-Ferchlands Debütroman „Alle Wasser Stein“ lesen. Gemeinsam ist beiden Büchern eine erzählerische Kraft, die sich beim Lesen unmittelbar überträgt. Überraschend war für mich wie stark sich beide Romane stilistisch voneinander unterscheiden. Sie sind auf ihre jeweils sehr eigene Art literarisch, poetisch und intensiv.

Im Mittelpunkt von „Alle Wasser Stein“ steht der Bildhauer Rigot, der in einer südeuropäischen Künstlergemeinschaft lebt.

Eines Tages wird ein mächtiger Steinbrocken in sein Atelier geliefert und etwa zeitgleich taucht ein Kind aus dem Nichts auf. Nur dunkel erinnert Rigot sich an eine mit dem Bürgermeister im Drogenrausch eingegangene Wette, die ihn zwingt, den Stein in eine außergewöhnliche Skulptur zu verwandeln. Gelingt ihm dies nicht innerhalb einer gewissen Frist, werden alle Nessunos (so nennt sich die Gemeinschaft) ihren Wohnsitz verlassen müssen. Rigot ist wie gelähmt, der Stein stößt ihn regelrecht ab und er ist nicht in der Lage ihn zu bearbeiten. Auch mit dem Kind weiß er anfänglich nichts anzufangen. Sehr lebendig werden auch die anderen „Nessunos“ gezeichnet, ihre Eigenarten und Verbindungen untereinander sehr bildlich vor Augen geführt.

Wortwahl und Satzmelodie muten wie die Sprache einer längst vergangenen Zeit an. Sie vermitteln eine ganz wunderbare, magische Atmosphäre, die sehr gut zur alten, etwas abgeschiedenen Villa der Nessunos und der umgebenden mediterranen Landschaft passt. Immer wieder vermischen sich äußere und innere Realitäten und es lässt sich manchmal nicht entscheiden wo das Reich der Phantasie beginnt und die Wirklichkeit endet. Träume, Drogenrausch, Realität verschwimmen während die Erzählung voranschreitet und sich auch alte Verletzungen zeigen. „Alle Wasser Stein“ lässt sich in einigen Passagen eher intuitiv als mit dem Verstand begreifen. Doch am Ende offenbart sich, warum der Stein Rigot derart blockiert, welches traumatische Erlebnis tief verborgen in ihm verschlossen war und was es mit dem Kind auf sich hat. Eine Gerichtsverhandlung mit einem klugen Richter rundet den Roman würdig ab.