Rezension Rezension (4/5*) zu Zwei Herren am Strand: Roman von Michael Köhlmeier.

Renie

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19. Mai 2014
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eine gelungene Mischung aus Fiktion und Dokumentation

Bei diesem Roman hat mich das Thema fasziniert: Zwei Berühmtheiten, Winston Churchill und Charlie Chaplin, - der eine Staatsmann, der andere Schauspieler - unterstützen sich gegenseitig im Kampf gegen ihre Depressionen. Beide sind grundverschieden, anfangs hegt Chaplin sogar gewisse Antipathien gegen Churchill.

„Er habe sich, erzählte Chaplin aus der Erinnerung, sehr ungemütlich gefühlt. Churchills in alle Richtungen trompetete Überschwänglichkeit habe ihn irritiert, eigentlich abgestoßen und noch mehr sein unmäßiger Alkohol- und Nikotinkonsum. Er habe den Eindruck gehabt, der Mann erhebe das Glas nicht, um seiner Rede Nachdruck zu verleihen, sondern er rede, um das Glas zu erheben. Und wenn er sprach, quoll Rauch aus seinem Mund, als wäre sein Bauch ein Kohlenmeiler. Diese bemühte Feierlaune habe er nur ertragen, wenn er die Szene verwischte, indem er schielte.“

Und doch stehen sie sich in den Stunden, in denen sie der \"Schwarze Hund\" überkommt und sie mit Selbstmordgedanken spielen, bei. Zwischen ihnen entwickelt sich mit der Zeit eine sehr tiefe Freundschaft.

Im Verlauf der Handlung taucht der Leser in die Politik und die Filmwelt der 30er und 40er Jahre ein. Die Handlung, die entweder aus der Sicht von Churchill oder Chaplin erzählt wird, konzentriert sich auf Themen wie das Verhältnis der USA und Großbritannien zum Nationalsozialismus, behandelt aber auch die Entstehungsgeschichten der Filme Chaplins. Dabei wird deutlich, wie sehr sich Churchill und Chaplin in ihrer jeweiligen Domäne aufgerieben haben. Auf mich wirkten die beiden wie Getriebene, die bei der Bewältigung ihrer Aufgaben ständig nach Perfektionismus strebten. Dadurch haben sie sich selbst dermaßen unter Druck gesetzt, dass sie daran fast zerbrochen wären.

Die Handlung wird aus Sicht eines Ich-Erzählers geschildert, wobei dieser fast im Plauderton über die Ereignisse der damaligen Zeit berichtet. Dieser Erzähler berichtet dabei aus dem Nachlass seines Vaters. Dieser hatte zu Lebzeiten an einer Biografie über Churchill gearbeitet. Eine seiner Quellen war William Knott, Chuchill\'s Privatsekretär. Ich habe einige Zeit gebraucht, bis ich begriffen hatte, dass Knott eine Fantasiefigur ist - wie viele andere Figuren in dem Buch auch. Dafür wirkten die Ereignisse, über die in diesem Buch berichtet werden, viel zu wirklichkeitsgetreu. Ich habe zwischenzeitlich fast vergessen, dass es sich bei dem vorliegenden Buch um einen Roman handelt.

Dieses Buch ist eine sehr gelungene Mischung aus Fiktion und Dokumentation. Die Ereignisse um Chaplin und Churchill werden sehr faszinierend und authentisch geschildert. Mir hätte es nur besser gefallen, wenn es mehr von den Chaplin/Churchill-Gesprächen gegeben hätte. Die Begegnungen zwischen Chaplin und Churchill treten im Verlauf der Handlung in den Hintergrund. Dies hat für mich im Nachhinein den Charme des Buches ein wenig geschmälert.


von: Brun, Frédéric
von: Berna González Harbour
von: Eva Björg Ægisdóttir