Rezension (4/5*) zu Zu den Elefanten: Novelle von Peter Karoshi

Christian1977

Bekanntes Mitglied
8. Oktober 2021
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Auf der Suche nach sich selbst

Kulturwissenschaftler Theo steckt mit 40 Jahren in einer Lebenskrise. Beruflich und privat scheint es keine großen Veränderungen zu geben, zudem vereinsamt er immer mehr. Gut, dass ihm im Urlaub die Idee kommt, gemeinsam mit seinem neunjährigen Sohn Moritz, eine waghalsige Reise zu unternehmen: Die beiden wollen sich - in entgegengesetzter Richtung - auf die Spuren des Elefanten Soliman begeben, der Mitte des 16. Jahrhunderts gemeinsam mit dem zukünftigen Kaiser Maximilian von Spanien aus über die Alpen nach Wien wanderte. Doch von Beginn an steht das Unternehmen unter keinem günstigen Stern...

"Zu den Elefanten" von Peter Karoshi ist eine Novelle auf sprachlich hohem Niveau, die von den Leser:innen ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit fordert, um der Handlung und den Beweggründen der Figuren folgen zu können. Zu Beginn wirkte die Sprache auf mich ein wenig sperrig, was aber gewollt ist, denn Kulturwissenschaftler Theo, der mit seinem "Reisetagebuch" gleichzeitig der Erzähler ist, kann seinen wissenschaftlichen Hintergrund eben nicht so einfach leugnen. Doch je länger die Novelle andauerte, desto mehr fand ich mich mit dieser Sprache zurecht, die irgendwann eine regelrechte Sogwirkung bei mir entfachte.

Ein großer Pluspunkt war für mich zudem die melancholische Stimmung, die dem Buch von Beginn an wie ein roter Faden folgt und bis zum bewegenden Ende auch nicht nachlässt. Protagonist Theo umweht ein gewisser Weltschmerz, zudem sorgen die berührenden Naturbeschreibungen für eine äußerst gelungene Atmosphäre.

Ohne etwas verraten zu wollen, kommt es auf der gemeinsamen Reise von Vater und Sohn zu einem entscheidenden Wendepunkt, durch den bei mir zwischenzeitlich eine gewisse Genervtheit vom Protagonisten, gepaart mit einer kleineren Lesemüdigkeit auftrat. Theo fürchtet sich vor sich selbst, vor Fremden, vor der Reise, vor dem Altern, vor dem Nicht-dazu-Gehören. Das Zentrum der Erzählung lenkt sich von der Vater-Sohn-Reise und der Soliman-Thematik zunehmend auf die Hauptfigur und dessen doch recht schwere persönliche Krise. Dies bedauerte ich, denn gerade der Blick auf die gegenläufige Reise und auf das Vater-Sohn-Verhältnis waren für mich die interessantesten Aspekte der Novelle. Zunehmend verliert sich Theo in immer unrealistischer werdenden Situationen, in denen er sich zudem auch noch konsequent falsch verhält. Dadurch weist das Buch in meinen Augen in der Mitte kleinere Längen auf.

Doch das konsequente und sehr gelungene Ende, das zudem die Mehrdeutigkeit des Titels klug vor Augen führt, hat mich letztlich wieder versöhnt. So ist "Zu den Elefanten" eine kluge Novelle, die zwar nicht alle meine Erwartungen erfüllt hat, mich aber zu keinem Zeitpunkt kalt ließ und zudem mit einigen Überraschungen aufwartet. Über die sprachliche Erhabenheit sollte es trotz einiger kleiner Fäkalausrutscher ohnehin keine Zweifel geben. Mit ihrer Nachdenklichkeit wirkte sie bei mir lange nach.