Rezension Rezension (4/5*) zu Wisting und der Tag der Vermissten: Kriminalroman (Cold Cases, Band 1) von Jør.

Bibliomarie

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10. September 2015
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Buchinformationen und Rezensionen zu Wisting und der Tag der Vermissten von Jørn Lier Horst
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Jedes Jahr nimmt sich William Wisting einige Kartons mit den Unterlagen zum Vermisstenfall Katharina Haugen vor. Er konnte diesen Fall nie auflösen und er fühlt sich für ihn wie ein Stachel an, der immer wieder in die Haut bohrt. Zum Ehemann Martin Haugen, der auch als Verdächtiger galt, hat er im Lauf der Jahre ein besonderes, fast freundschaftliches Verhältnis aufgebaut, obwohl sich Wisting sicher ist, dass Haugen etwas vor ihm verbirgt. Man sieht sich hin und wieder und der Jahrestag des Verschwindens von Katharina hat sich als Treffen eingebürgert.

Doch dieses Jahr kommt eine neue Dynamik in den Fall. Adrian Stiller, ein junger, sehr ehrgeiziger Kommissar, der eine EU Einheit zu Cold Cases leitet, hat eine neue Spur entdeckt. Fingerabdrücke aus einem nie geklärten Entführungsfall, die erst jetzt im Rahmen der fortschreitenden Technik Martin Haugen zugeordnet werden können. Stiller bezieht auch die Presse mit ein, ganz gezielt wählt er Wistings Tochter Line aus, die freiberufliche Journalistin arbeitet.

Ein Krimi, der eigentlich ganz unspektakulär daher kommt, aber einen unglaublichen Sog entwickelt. Die Polizeiarbeit wird in ihrer Kleinteiligkeit durchaus realistisch geschildert, ist aber dabei überhaupt nie langatmig. Eine besondere Faszination übten die Protagonisten auf mich aus. Der Autor hat zwei ganz gegensätzliche Ermittler beschrieben. Wisting, als älterer, abgeklärter Ermittler, der sich in seine Gegenüber hineinversetzen kann und auch auf kleinste Regungen in Mimik und Sprache achtet und deuten kann. Stiller ist eher das Gegenteil, ein auf Erfolg geeichter Ermittler, der mit Manipulation und Provokation zu seinem Ziel kommen möchte. Das sind zwei Generationen und zwei Charaktere mit ganz unterschiedlichen Ansätzen.

Der Leser lernt die Protagonisten aus verschiedenen Perspektiven kennen und kommt deshalb auch dem Geschehen sehr nah. Besonders intensiv empfand ich die Gespräche zwischen Wisting und Haugen, die um das Verschwinden Katharinas kreisen und in den vieles unausgesprochen bleibt, aber jeder Satz, jede Geste eine ganz besondere Bedeutung haben.

Das Buch entspricht genau den Erwartungen, die ich an einen intelligenten Krimi habe und hat mir deshalb auch ausgesprochen gut gefallen. Dass ich schon sehr früh ahnte, wohin Wisting Martin Haugen steuerte, war das Ende keine Überraschung, aber völlig schlüssig gelöst.

Das ist ein Autor, den ich im Auge behalten werde und auf dessen andere Bücher ich schon sehr gespannt bin.


 

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