Rezension (4/5*) zu Wir sind dann wohl die Angehörigen: Die Geschichte einer Entführung von Johann.

ulrikerabe

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14. August 2017
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Wien
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Buchinformationen und Rezensionen zu Die Geschichte einer Entführung von Johann Scheerer
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Plötzlich alles anders!

„Es war der 25. März 1996, es war Frühling, und mein Leben sollte von da an ein anderes sein.“ An diesem Tag sollte der damals dreizehnjährige Johann Scheerer keine Lateinarbeit schreiben. An diesem Tag wurde Johanns Vater, Jan Philipp Reemstma, entführt.
Die Reemtsma Entführung war einer der spektakulärsten Kriminalfälle Deutschlands in den letzten Jahrzehnten. In „Wir sind dann wohl die Angehörigen“ schildert der Sohn des Opfers, 20 Jahre später seine Erinnerungen an diese damals sehr belastende Zeit. Johann hatte bislang sein Famiienleben gar nicht mal als so außergewöhnlich betrachtet. Er wusste, dass seine Eltern, insbesondere sein Vater über viel Geld verfügten. Das einzige besondere an seiner Familie - fand er – war, dass sein Vater in zwei Häusern lebte. Mal mit der Mutter in dem einem, mal alleine für sich in dem anderen, einfach über die Straße. Die Entführung stellte nun alles auf den Kopf. Die Polizei, mit allerlei technischer Ausrüstung, rückte an, Anwälte des Vaters. 33 Tage lang herrschte Ausnahmezustand, fuhren Gefühle Achterbahn. Johann Scheerer schildert in seinen autobiografischen Roman unerwartet nüchtern, kehrt dabei den verwirrten Teenager hervor, dem nie alle Informationen zuteilwurden, der cool und unbeteiligt wirken will, der sich aber auch schämt, nichts beitragen zu können.
„Wir sind dann wohl die Angehörigen“ ist kein Kriminalroman, kein Entführungsthriller. Was gänzlich fehlt, ist die Aufklärung des Falles. Wer die Täter waren, wie sie letztlich verhaftet wurden, darauf geht Johann Scheerer überhaupt nicht ein. Es ist die sehr persönliche Perspektive des Sohnes, eine Aufarbeitung mit wohl therapeutischem Effekt für den Autor.