Die dunklen Seiten Südkoreas
Als der 13-jährige Glupschaug zusammen mit seiner Mutter die Slums in der Nähe Seouls verlässt, um sich zur "Blumeninsel" aufzumachen, weiß er noch nicht, was die beiden dort erwartet: eine überdimensionierte Müllkippe, auf der sie fortan als Arbeiter unter der Anleitung des "Barons" eingesetzt werden. Eine unerträgliche Situation, die für Glupschaug vor allem dadurch leichter wird, dass er sich mit Glatzfleck, dem zehnjährigen Sohn des Barons anfreundet. Gemeinsam müssen sich die beiden beweisen, in dieser von Erwachsenen dominierten Welt des Schmutzes...
Hwang Sok-Yong zeichnet in "Vertraute Welt", im koreanischen Original bereits 2011 erschienen, das düstere Bild einer Wegwerfgesellschaft zu Beginn der 1980er-Jahre, das noch immer erschreckend aktuell wirkt. In knappen, lakonischen Sätzen, lässt Hwang von Beginn an keinen Zweifel daran, wem seine Sympathien gelten: den Armen und Schwachen, den von der Gesellschaft Ausgestoßenen und Weggeworfen. Und natürlich den Kindern, denn Protagonist Glupschaug ist mit großem Abstand die wichtigste Figur. Wenn ich mich recht erinnere, gibt es keine einzige Szene, die ohne ihn auskommt.
Ganz wunderbar gelingt es dem Autoren, die Empathie für Glupschaug und Glatzfleck auf die Leser:innen zu übertragen. Das führte so weit, dass ich in ständiger Sorge um den kleinen Glatzfleck war und überall Gefahren witterte, wo häufig gar keine waren. Der Schreibstil wirkt dabei ein wenig aus der Zeit gefallen, vielleicht gar altmodisch, was mich aber nicht störte. Gerade in den Dialogen der Kinder fühlte ich mich manchmal an diese alten wunderbaren DEFA-Filme erinnert, in denen die jungen Darsteller ihre Beiträge auch häufig einmal mit dem Ausruf "Mensch..." einleiteten.
Insbesondere das erste Drittel des Romans hat mir in diesem Zusammenhang sehr gut gefallen. Sensibel und mit dem nötigen Ernst schildert Hwang die sich leise anbahnende Freundschaft zwischen Glupschaug und Glatzfleck, die später und aufgrund des Verhältnisses zwischen Glatzflecks Vater, dem Baron, und Glupschaugs Mutter sogar zu einer brüderlichen Beziehung wird.
Leider kann der Roman diese Intensität nicht über die vollen gut 200 Seiten bewahren. Gerade mit der Zunahme von metaphysischen Erscheinungen und geisterhaften Gestalten kam ich nicht so gut zurecht, da der Roman zu Beginn doch auf eine harte Realität setzt. Das mag aber auch mit der fernöstlichen Literatur allgemein zusammenhängen, wo Geisterwesen wohl des Öfteren eine größere Rolle spielen.
Auch das Ende überzeugte mich nicht vollends. Ohne zu viel zu verraten, passiert etwas so Drastisches, über das in meinen Augen einfach zu schnell hinweg gegangen wird. Auch innere Konflikte werden in der Folge dieses Ereignisses nicht austariert.
Leichte Kritikpunkte an einem insgesamt aber überzeugenden Roman über die dunklen Seiten Südkoreas, der gleichermaßen aufrüttelt wie berührt.
Als der 13-jährige Glupschaug zusammen mit seiner Mutter die Slums in der Nähe Seouls verlässt, um sich zur "Blumeninsel" aufzumachen, weiß er noch nicht, was die beiden dort erwartet: eine überdimensionierte Müllkippe, auf der sie fortan als Arbeiter unter der Anleitung des "Barons" eingesetzt werden. Eine unerträgliche Situation, die für Glupschaug vor allem dadurch leichter wird, dass er sich mit Glatzfleck, dem zehnjährigen Sohn des Barons anfreundet. Gemeinsam müssen sich die beiden beweisen, in dieser von Erwachsenen dominierten Welt des Schmutzes...
Hwang Sok-Yong zeichnet in "Vertraute Welt", im koreanischen Original bereits 2011 erschienen, das düstere Bild einer Wegwerfgesellschaft zu Beginn der 1980er-Jahre, das noch immer erschreckend aktuell wirkt. In knappen, lakonischen Sätzen, lässt Hwang von Beginn an keinen Zweifel daran, wem seine Sympathien gelten: den Armen und Schwachen, den von der Gesellschaft Ausgestoßenen und Weggeworfen. Und natürlich den Kindern, denn Protagonist Glupschaug ist mit großem Abstand die wichtigste Figur. Wenn ich mich recht erinnere, gibt es keine einzige Szene, die ohne ihn auskommt.
Ganz wunderbar gelingt es dem Autoren, die Empathie für Glupschaug und Glatzfleck auf die Leser:innen zu übertragen. Das führte so weit, dass ich in ständiger Sorge um den kleinen Glatzfleck war und überall Gefahren witterte, wo häufig gar keine waren. Der Schreibstil wirkt dabei ein wenig aus der Zeit gefallen, vielleicht gar altmodisch, was mich aber nicht störte. Gerade in den Dialogen der Kinder fühlte ich mich manchmal an diese alten wunderbaren DEFA-Filme erinnert, in denen die jungen Darsteller ihre Beiträge auch häufig einmal mit dem Ausruf "Mensch..." einleiteten.
Insbesondere das erste Drittel des Romans hat mir in diesem Zusammenhang sehr gut gefallen. Sensibel und mit dem nötigen Ernst schildert Hwang die sich leise anbahnende Freundschaft zwischen Glupschaug und Glatzfleck, die später und aufgrund des Verhältnisses zwischen Glatzflecks Vater, dem Baron, und Glupschaugs Mutter sogar zu einer brüderlichen Beziehung wird.
Leider kann der Roman diese Intensität nicht über die vollen gut 200 Seiten bewahren. Gerade mit der Zunahme von metaphysischen Erscheinungen und geisterhaften Gestalten kam ich nicht so gut zurecht, da der Roman zu Beginn doch auf eine harte Realität setzt. Das mag aber auch mit der fernöstlichen Literatur allgemein zusammenhängen, wo Geisterwesen wohl des Öfteren eine größere Rolle spielen.
Auch das Ende überzeugte mich nicht vollends. Ohne zu viel zu verraten, passiert etwas so Drastisches, über das in meinen Augen einfach zu schnell hinweg gegangen wird. Auch innere Konflikte werden in der Folge dieses Ereignisses nicht austariert.
Leichte Kritikpunkte an einem insgesamt aber überzeugenden Roman über die dunklen Seiten Südkoreas, der gleichermaßen aufrüttelt wie berührt.
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