Rezension (4/5*) zu Unter dem Schnee: Roman von Katrin Burseg

wal.li

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1. Mai 2014
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Geheime Besucherin

Nachdem sie die Baumschule fünfzig Jahre lang wohl überlegt geführt hat, ist Luise von Schwan Ende des Jahres 1978 verstorben. Am 28. Dezember 1978 soll sie bestattet werden. Allerdings macht der heraufziehende Wintersturm dies unmöglich. Die Anteilnehmenden aus dem Dorf schaffen es gerade noch nach hause und die Familie macht sich auf den Weg zum Gut. So eng aufeinander saß die Familie schon lange nicht mehr. Klementine, Luises jüngere Schwester, deren Söhne Carl und Jo, Carls Frau, Caroline, Jos Tochter und Isa, die alte Vertraute und Haushälterin von Luise. Doch das enge Beisammensein kommen auch Themen zur Sprache, über die sonst geschwiegen wird.

Das Schicksal der von Schwans seit Gründung der Baumschule, aber hauptsächlich während und nach dem zweiten Weltkrieg, ist ein Hauptthema dieses Romans. Vor dem Hintergrund des großen Winterunwetters über den Jahreswechsel 1978/79 entfalten sich die familiären Beziehungen der Familie. Als am Abend plötzlich der Pastor mit einer jungen Frau auf dem Gut auftaucht, müssen sich die Familienmitglieder auch den letzten Geheimnissen stellen. Das Schweigen muss gebrochen werden. Die junge Generation hat ein Recht darauf, auch das von den Älteren zu erfahren, was diese gerne für sich behalten würden.

Von Verlusten geprägt ist das Leben der von Schwans und nicht nur das, auch Schuld haben die Älteren auf sich geladen. Auch wenn einige irgendwann vielleicht erkannt haben, dass unter dem Regime des dritten Reiches nichts Positives entstehen konnte, so haben sie doch bis zu einem gewissen Grad mitgemacht. Und nicht jeder sieht etwas ein. Auch die folgende Generation mit ihrem sich einfügen oder sich auflehnen, ist von der Kriegszeit geprägt. Kann unter diesen Voraussetzungen eine Entwicklung zum Besseren einsetzen? Möglicherweise entsteht erst in der Enkelgeneration die Kraft zum Neuanfang. Mit bewegenden Worten berichtet die Autorin von einer Zeit, die die meisten wahrscheinlich nur in Teilen miterlebt haben, und für die etliche zu jung sind. Dieser zeitgeschichtliche Roman bietet neben einer spannenden und aufwühlenden Familiengeschichte, auch einen Anreiz über den Hintergrund der eigenen Familie nachzudenken und sich in Erinnerung zu rufen. Auch da gab es möglicherweise Schuld, Verlust und Flucht und doch auch einen Neustart, der aber nie die Erinnerung überdecken sollte. Ein überraschend klares Buch, das zu lesen sich lohnt.


 
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