Rezension Rezension (4/5*) zu Unbarmherzig: Kriminalroman (Ein Gina-Angelucci-Krimi, Band 2) von Inge Löhnig.

evaczyk

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25. Juni 2019
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Buchinformationen und Rezensionen zu Unbarmherzig: Kriminalroman von Inge Löhnig
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Cold Case um alte Schuld

Alter Hass, über Jahre gereift und vertieft - in Ingrid Löhnigs Kriminalroman "Unbarmherzig" trifft das gleich mehrfach zu. Eine Familienfehde in einem bayerischen Dorf, die Generationen überdauert, aber auch der lang gehegte Groll auf die Polizei begegnen Gina Angelucci von der Münchner Kripo bei ihren dienstlichen Ermittlungen sowie im privaten Umfeld.

Die Spezialistin für ungelöste Fälle, frisch aus der Elternzeit zurück, bekommt mit ihrem ersten Fall seit der Rückkehr in den Kripo-Dienst mit einem jahrzehntealten Altfall zu tun: Nach Bauarbeiten werden in dem idyllischen Dorf Altbruck zwei skelettierte Leichen gefunden. Die Kommissarin hat Mühe, ihre Vorgesetzten von der weiteren Untersuchung des Falls zu überzeugen - schließlich könnten der oder die Mörder selbst schon lange tot sein. Doch die Gerichtsmedizinerin findet bei der Analyse der Knochen heraus, dass eines der Skelette zu einer Frau aus dem Baltikum gehört, das andere zu einem Mann, der nie außerhalb der Region gelebt hatte.

Während des Zweiten Weltkriegs befand sich in Altbruck eine Munitionsfabrik - war die tote Frau eine Zwangsarbeiterin? Handelt es sich um ein Kriegsverbrechen, das damit auch nicht verjährt wäre? Nicht nur bei der Kripo sind die Meinungen geteilt, ob der Fall weiterverfolgt werden soll, auch in Altbruck gibt es Menschen, die eine gründliche Aufarbeitung des Fundes und damit auch der Nazi-Vergangenheit des Dorfes fordern und solche, die die Vergangenheit buchstäblich begraben lassen wollen.

Für Gina ist klar: sie will den unbekannten Toten ihren Namen zurückgeben. Irgendwo, so ist sie überzeugt, leben Angehörige in qäulender Ungewissheit, was aus ihren Liebsten geworden ist.

Während die Ermittlungen in der Gegenwart fortschreiten, führt ein zweiter Erzählstrang in die Vergangenheit, zu Kairi, einer jungen Frau aus Riga, die in die Heeresmunitionsanstalt in Altbruck verschleppt wurde, die unter Schuldgefühlen wegen der Verhaftung ihres Vaters leidet und von einer Rückkehr nach Lettland träumt. Gleichzeitig erfährt der Leser von zwei verfeindeten Schwestern, von einem Failienkonflikt, der über Generationen getragen wird. Ist eine Versöhnung noch möglich, oder ist die Kluft unüberbrückbar?

Vergangenheit und Gegenwart sind eng verbunden, das findet nicht nur Gina im Laufe ihrer Arbeit in Altbruck hinaus. Dass das menschenverachtende Denken aus der Nazizeit nicht einfach Teil der Vergangenheit ist, muss sie als Mutter einer kleinen Tochter mit Down-Syndrom ebenfalls erfahren. Zudem fühlt sich Gina von einer Unbekannten beobachtet - droht Gefahr im privaten Umfeld?

Die Zeitsprünge, die Inge Löhnig ihren Lesern präsentiert, verwirren nicht, sondern helfen beim Verständnis, was einst in Altbruck passiert ist. Der Kriminalfall ist gut eingebettet in die Frage nach dem Umgang mit vergangenem Unrecht und der Verantwortung von Nachgeborenenen, ohne moralisierend daher zu kommen. Bei der Suche nach dem Täter präsentiert die Autorin ein paar Sackgassen und falsche Spuren - das Ende ist durchaus überraschend und versöhnlich, ohne in Kitsch abzugleiten,

 

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