Rezension Rezension (4/5*) zu Stella von Takis Würger.

G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Ein Blick auf Stella

Ja, er kann schreiben, der Herr Würger. Schon "Der Club" hat mir gefallen. Aber jetzt bei "Stella" merkt man, er kann noch mehr Tiefe herstellen in seiner Charakterzeichnung. Und ich muss sagen, Hut ab vor jemandem, der es wagt zu so einem Thema einen Roman zu schreiben. Und an den Diskussionen sieht man wieder, ein großer Teil von uns neigt zu Schubladendenken, Schwarz- oder Weiß-Einteilung. Tja, so einfach ist das aber nicht!

Ich bewerte hier den Roman "Stella", nicht die Person Stella. Und ich muss sagen, der Roman "Stella" hat mir gefallen. Es hat für meine Begriffe nur wenig zu einer 5 Punkte Bewertung meinerseits gefehlt. Der Charakter Stella im Roman hat mich gefangen genommen, Takis Würger ist es gelungen uns einen Menschen mit Gefühlen zu zeigen. Warum auch nicht? Jeder Mensch hat diese. Auch eine Stella Goldschlag wird ihre Eltern geliebt haben, wird ein Leben gehabt haben, wird Männer geliebt haben, wird ihr eigenes Leben geliebt haben. Dieses Buch empfand ich als einen Versuch eines Blickes auf Stella, einen gelungenen Versuch. Ein Versuch, der in mir Mitgefühl für Stella hochkommen ließ. Erstaunlich und ein Zeichen dafür, dass der Autor sein Handwerk versteht. Die Person des Friedrich fand ich ebenso interessant, die Zeichnung der Kindheit, die Rollen der Mutter und des Vaters und das Kind dazwischen. Den Einfluss, den die Eltern auf das Kind haben und was dieser Einfluss mit dem Kind macht. Die Liebe und was diese mit Friedrich macht. Das Hin- und Herschwanken des verliebten Friedrich mit seinem Wissen um die Taten der Stella. Kennen wir das nicht alle, dass wir eine geliebte Person anders sehen, anders sehen wollen? Und erst später Wahrheiten zulassen. Warum soll das bei einer Stella Goldschlag und ihren Geliebten anders gewesen sein? Wegen ihrer schlimmen Taten? Können wir die Liebe steuern oder steuert die Liebe uns? Die Figur des Tristan fand ich interessant, aber definitiv noch ausbaufähig. Soll sie uns die Figur des mitlaufenden Deutschen mit Schwächen präsentieren? Ich weiß nicht. Ich stelle mir die vollkommen Überzeugten immer als sehr überkorrekte Menschen vor. Aber jeder Mensch hat Fehler, auch die Überkorrekten, vielleicht auch gerade diese.

Die Einschübe mit den historischen Daten fand ich sehr gut gemacht. Das hat immer wieder den furchtbaren Hintergrund vor dem geistigen Auge entstehen lassen. Und damit vielleicht auch den Druck unter dem die Menschen damals gestanden haben.

Womit wir bei der Bewertung des damaligen Geschehens wären. Natürlich gibt es Taten die definitiv verachtungswürdig sind. Trotzdem sollten wir uns vorsehen allzu viel des damaligen Geschehens bewerten zu wollen. Es gibt die Bezeichnung des Glücks der späten Geburt. Und wir alle haben wirklich Glück später geboren zu sein. Ich habe in einer Doku gesehen/gehört, dass eine Frau in Nürnberg zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, weil sie geweint hat, als eine Gruppe jüdischer Häftlinge an ihr vorbeigetrieben wurde. Der Druck, unter dem die Bevölkerung damals gestanden hat, wird ein Großer gewesen sein. Und Druck verändert. Genauso wenig wissen wir alle, oder ein Glück die meisten von uns, was wir bereit sind zu tun, wenn Menschen die wir lieben bedroht sind oder unser eigenes Leben bedroht ist.

Und noch etwas, ich finde auch die Diskussionen um dieses Buch teilweise als unsinnig. In diesem Buch wird meiner Meinung nach nichts verharmlost oder negiert oder verkitscht!

 
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Reaktionen: Helmut Pöll

Literaturhexle

Moderator
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2. April 2017
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Und an den Diskussionen sieht man wieder, ein großer Teil von uns neigt zu Schubladendenken, Schwarz- oder Weiß-Einteilung. Tja, so einfach ist das aber nicht!
Ganz genau @renee, das Gefühl habe ich bei dieser Diskussion auch. Ich bin zwar noch mitten in Stella drin, aber empfinde da gar nichts als verharmlost. Das Dilemma, in dem die junge Frau steckt, wird deutlich. Die Brutalität der SS- Soldaten und deren Dekadenz werden beleuchtet. Auch der aus meiner Sicht homoerotische Tristan, der sich hinter einer Rolle versteckt.... Da steckt ganz viel Tragik drin.
In diesem Buch wird meiner Meinung nach nichts verharmlost oder negiert oder verkitscht!
Genau !
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
[zitat]Ich bin zwar noch mitten in Stella drin, aber empfinde da gar nichts als verharmlost.[/zitat]

Dann hab noch eine schöne Zeit mit "Stella". Ich finde Takis Würgers Schreibstil wunderbar und ich denke es wird für mich nicht mehr lange dauern, bis ich ein nächstes Buch von ihm mit 5 Punkten bewerte.