Rezension Rezension (4/5*) zu Staub zu Staub: Kriminalroman von Felix Weber.

Amena25

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23. Oktober 2016
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Außergewöhnlicher Roman


Die Bezeichnung Kriminalroman oder gar Thriller passt in meinen Augen nicht zu diesem Roman. Nicht in dem Sinne, dass es zu wenig spannend wäre, sondern dass die Gattungsbezeichnung ,,Krimi" den Leser mit ganz falschen Erwartungen an das Buch herangehen lässt, die dem außergewöhnlichen Roman in keinster Weise gerecht werden. Der ehemalige niederländische Widerstandskämpfer Siem Coburg lebt nach dem Krieg auf einem Hausboot, ohne Elektrizität, ohne fließendes Wasser und in völliger Einsamkeit. Nach dem tragischen Verlust seiner großen Liebe Maria ist Coburg ein gebrochener Mann. Selbst seine Schwester erschrickt bei seinem Anblick, als sie ihn aufsucht. Der alte Bauer Tammens schickt sie. Er bittet Siem Coburg, den mysteriösen Tod seines Enkels Siebold aufzuklären, der in einem katholischen Heim für geistig behinderte Kinder gelebt hat. Der Junge Siebold hatte im Krieg Siem Coburg einmal das Leben gerettet, weswegen er sich nun, zwar widerwillig, aber um diese alte Schuld zu begleichen, auf Spurensuche macht.
Bei seinen Recherchen im Heim wird offensichtlich, dass die Heimleitung so einiges zu verbergen hat und es auch unter den Mönchen Machtspiele und Zwietracht gibt. Auch ist Siebold nicht der einzige Jugendliche, der unter ungeklärten Umständen in dem Heim zu Tode kam.
Die ,,Ermittlungen" Coburgs machen nur einen Teil der teils sehr düsteren und melancholisch geprägten Handlung aus. In verschiedenen Handlungssträngen erfährt man nach und nach, wie Siem Coburg als junger Widerstandskämpfer Maria kennen- und lieben lernt, wie ihre verdeckten Aktionen sie immer wieder zusammenführen. Aber auch in den Kreisen der Widerstandskämpfer gibt es Machtkämpfe und Verrat. Auch die Perspektive von Bruder Anselmus, der im Kloster für die ,,schlimmsten Fälle" und die Krankenstation ganz alleine zuständig ist, wird immer wieder thematisiert. Seine Überforderung und Verzweiflung werden eindringlich geschildert.
Dennoch bleiben die Figuren wie auch Siem Coburg dem Leser seltsam distanziert und fremd. Die düstere Gesamtstimmung, die greifbare Resignation lädt nicht gerade zur Identifikation mit den Hauptfiguren ein, was aber vom Autor auch sicherlich nicht gewollt ist. Obwohl die Sprache teilweise sehr poetische ist, wirkt der Roman fast dokumentarisch. Die Idee des Buches beruht auch auf einem tatsächlich vorgefallenen Skandal in einem katholischen Internat, die Figuren sind jedoch alle fiktiv, was ihrer Glaubhaftigkeit jedoch keinerlei Abbruch tut.
Für mich ist ,,Staub zu Staub" ein überraschender, außergewöhnlicher und sehr lesenwerter Roman, aber kein Krimi.







 
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