Über vier Generationen des 20. Jahrhunderts und vier Ländergrenzen hinweg erzählt Iris Wolff beglückend poetisch von Jacob, Henriette, Vicco und Hedda. Sie alle erfahren, wie fragil ihre Lebensentwürfe vor dem Hintergrund der Geschichte sind und dass das Zusammenspiel aus Freiheit und Anpassung, Zufall und freiem Willen stets in Bewegung ist.
Der Erste Weltkrieg bringt einen österreichischen Soldaten in ein Karpatendorf. Eine junge Frau besucht nachts die „Geheime Gesellschaft der Schlaflosen“. Ein Motorradfahrer ist überzeugt, dass er sterben und die Mondlandung der Amerikaner versäumen wird. Eine Frau beobachtet die Ausfahrt eines Fischerbootes, das nie mehr zurückkehren wird. Iris Wolff bindet in „So tun, als ob es regnet“ vier ganz unterschiedliche Protagonisten zusammen und schafft durch die subtilen Querverbindungen ein einzigartiges Geflecht aus Perspektiven auf den je Anderen. Dies erlaubt den Figuren den Blick zurück, auf getroffene Entscheidungen, sowie nach vorne, auf das, was von einem Leben bleibt. Atmosphärisch, bildstark und zart verflicht die vielfach ausgezeichnete Autorin Iris Wolff ihre Romangeschichten zu einem Prosakunstwerk mit einem beeindruckenden Hallraum.Kaufen
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Die Karpaten und die Walachei - das waren für mich bislang immer Synonyme für irgendwo im Nirgendwo. In diesem vier Generationen überspannenden Roman in ebenso vielen Erzählungen gewinnen diese Ortsbezeichnungen allerdings deutlich an Kontur. Siebenbürgen - das ist die Region, in der die Geschichten spielen. Heute liegt die Region im Zentrum Rumäniens, doch hat das geografische Gebiet im südöstlichen Karpatenraum eine durchaus wechselvolle Geschichte zu verzeichnen. Durch die vier verschiedenen Perspektiven in den Erzählungen bringt Iris Wolff diese Ereignisse nahe - und ebenso die Bedeutung derselben für die verschiedenen Individuen.
Jacob, Henriette, Vicco und Hedda - das sind die vier Charaktere, aus deren Perspektive die aufeinanderfolgenden Ereignisse geschildert werden, angefangen bei Jacob im Ersten Weltkrieg, in dem es ihn in eben jene Karpaten verschlug. Ich empfand die vier Geschichten als sehr unterschiedlich, ebenso meinen emotionalen Zugang zu den verschiedenen Charakteren. Und doch ist es Iris Wolff gelungen, aus den vier Erzählungen eine Einheit zu schaffen, durch das Wiederauftauchen von Figuren, Charakterzügen, Themen und Gegenständen entsteht eine enge Verzahnung von Generation zu Generation. Manches löst sich auch erst in den folgenden Kapiteln auf.
Der Autorin gelingt es, in ihrem atmosphärisch verknappten, bildhaft-klaren Stil Situationen, Charaktere, Emotionen überdeutlich aufs Papier zu bringen, ebenso wie die jeweiligen gesellschaftlich-politischen Bedingungen, die oftmals sehr eindrückliche Auswirkungen auf die Bevölkerung haben. Diese Schilderungen erfolgen nicht anklagend, sondern als faktische Beschreibungen - interessant ist, wie die jeweiligen Charaktere darauf reagieren bzw. welche Möglichkeiten zur Reaktion ihnen eingeräumt wird. Freier Wille, Anpassung, Rebellion, Resignation - die Entscheidungen fallen unterschiedlich aus. Oft bleibt es bei Andeutungen, und doch weiß man um die Bedeutung der Sätze.
Bei der letzten Erzählung drängen sich Parallelen zwischen Hedda als Hauptcharakter und der Autorin selbst auf. Iris Wolff ist jetzt genau wie Hedda 44 Jahre alt und mit 8 Jahren aus dem Banat mit ihrer Familie nach Deutschland gekommen. Und Hedda schreibt wie Iris Wolff Texte. Ob sich die emotionale Lage der beiden ebenfalls ähnelt, weiß sicher nur die Autorin. Womöglich findet sich hier tatsächlich einiges über Iris Wolff selbst, was sie durch das eher Nebulöse aber nicht wirklich aufzudecken gedenkt, sie belässt es bei Andeutungen, die nicht zu viel verraten.
Imponierend, wie Iris Wolff ein ganzes Jahrhundert mal eben auf 160 Seiten verdichtet und dabei etliche wichtige Themen mit einfließen lässt. Gerade die Schwere und Ernsthaftigkeit dieser Themen bedingt die melancholische Tonlage, die jede der vier Erzählungen bestimmt. Auch diesmal gelingt es der Autorin, die Geschichte des Landes glaubhaft mit der Geschichte ihrer Charaktere zu verknüpfen.
Man darf gespannt sein auf wetiere Werke von Iris Wolff!
© Parden
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