Rezension Rezension (4/5*) zu Schwarzes Herz von Maxwell Bodenheim.

Renie

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19. Mai 2014
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ein ganz besonderer Sprachstil

Maxwell Bodenheim (1892 - 1954) war nicht nur ein bedeutender amerikanischer Schriftsteller, sondern hat auch durch einen außergewöhnlichen Lebensstil Aufmerksamkeit erregt: "König der New Yorker Bohème", dreimal verheiratet, Trinker, Bettler, wegen Landstreicherei verhaftet. Und trotz seiner Eskapaden hat er es zu 13 Romanen und 10 Gedichtbänden gebracht, bevor ihn der psychisch gestörte Liebhaber seiner Frau im Kampf getötet hat. Er ist also abgetreten, wie er gelebt hat: spektakulär!

Schwarzes Herz hat Bodenheim 1923 veröffentlicht. Darin beschreibt er einige Jahre im Leben seines Protagonisten Carl Felman. Carl, Anfang 20, sieht sich selbst als verkannten Dichter. Er hat sich der Lyrik verschrieben. Leider lässt seine Kreativität zu wünschen übrig, denn er holt sich seine Ideen aus den Werken anderer Poeten. Er hat eine Schwäche für "Blümchen"-Poetik und sieht sein Schreiben als den einzig für ihn vorbestimmten Weg, aus dem Alltag auszubrechen. Er lebt noch bei und von seinen Eltern, bei denen er mit seiner Leidenschaft auf Unverständnis und Ablehnung stößt. Für sie sind seine schriftstellerischen Ambitionen Hirngespinste und sie legen ihm nahe, seine Energien in einen "anständigen" Beruf zu investieren und endlich selbst für seinen Unterhalt zu sorgen.

" ..., doch er war ein Sklave der Überzeugung, dass Dichtung eine dünne aristokratische Erfahrung darstellte, in der verklärte, edle und lächerlich gekünstelte Gedanken und Missvergnügen auf die Gedankensprünge und das Getümmel der wahren Welt blickten - bleiche, verwaschene Prinzen, die untereinander um Schmuckgegenstände zankten, die man Reim und Versmaß nannte." (S. 85)

Carl fühlt sich also unverstanden. Doch er ist zu selbstherrlich, als dass er sich von der Meinung der anderen beeinflussen lässt. Seine Selbstherrlichkeit geht soweit, dass er für seine Mitmenschen nichts als Überlegenheit und Verachtung empfindet, was er sie auch auf unterschiedliche Art spüren lässt. Seine Lieblingswaffe im Umgang mit anderen ist seine Sprache. Er ist ein wahrer Wortakrobat und schafft es immer wieder, andere durch seine Ausdrucksweise zu verwirren.

So talentfrei Carl in seiner Poesie ist, schafft er es doch, bei einer Literaturzeitung Beachtung zu finden. Nicht, weil die Gedichte, die er eingeschickt hat überzeugen konnten, sondern weil sie Ansätze zeigen, die ausbaufähig sind. Carl bekommt dadurch Zugang zur Künstlerszene. Fortan tummelt er sich mit mehr oder weniger erfolgreichen Schriftstellern und Malern. Man sollte meinen, dass er sich hier gut aufgehoben fühlt. Trotzdem gibt es immer wieder die Momente, wo er in die Rolle des spöttischen Beobachters schlüpft und sich über seine sogenannten Freunde lustig macht.

"Für ihn waren Streitgespräche über Kunst wie die Possen eines Schildermalers, der das kostbare Etikett verteidigt, mit dem er einige der indiskreteren und unmöglicheren Sehnsüchte in seinem Inneren übermalt hat - ein Beispiel starren Unsinns. Er spürte, dass man sogenannte Kunstwerke mit neuen, unabhängigen und kreativen Worten beschreiben und bewundern, niemals jedoch verteidigen oder erklären kann. Für ihn stellten Bücher über Kunst einen vergeblichen und mikroskopischen Versuch dar, Logik in eine dekorative Kuriosität zu injizieren." (S. 176 f.)

Irgendwann kommt der Moment, bei dem der Menschenverächter Carl seine Grenzen aufgezeigt bekommt und entdeckt, dass er nicht der Mittelpunkt des Universums ist. Fortan ist dies Olga, seine Seelenverwandte und große Liebe. Er kann sich ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen.

Dieser Roman besticht gar nicht so sehr durch seine Geschichte, als eher durch seine Sprache. Ich habe bis jetzt noch keinen vergleichbaren Sprachstil erlebt. Maxwell Bodenheim gibt exakt Carl's Wortakrobatik wieder. Und genau, wie es Carl's Mitmenschen ergeht, habe ich mich selbst häufig bei der Frage ertappt:"Was will er uns damit sagen?". Das macht das Lesen nicht einfach, denn die Konzentration darf in keinem Moment nachlassen. Bodenheim liefert dabei eine Schlacht der Vergleiche und Metaphern, die ihresgleichen sucht. Und doch hat die Sprache eine große Faszination auf mich ausgeübt, so dass ich mich gefragt habe, ob der Sprachstil der Charakterisierung von Carl geschuldet ist, oder ob dies generell der Sprachstil des Autors ist.

"Auf den von Menschenmassen geknechteten Straßen kritzelten elektrische Glühbirnen ihre trivialen Botschaften in die Nacht, während das Tageslicht verzweifelt versuchte, seine scheckige Decke über der Szenerie auszubreiten." (S. 22)

Dieser Roman wird seine Leser polarisieren. Entweder wird man ihn lieben, oder man wird ihn ablehnen. Einen Kompromiss wird es nicht geben. Leser, die Spaß an ungewöhnlichen Sprachstilen haben, werden diesen sprachgewaltigen Roman lieben. Leser, die Sprache lediglich als Werkzeug ansehen, um eine Geschichte zu erzählen, werden diesen Roman ablehnen, weil sie die Sprache als völlig überfrachtet empfinden werden. Da ich bei meinem Lesestoff immer großen Wert auf den Sprachstil legen, gehöre ich natürlich zur ersten Kategorie und freue mich über die Entdeckung dieses ungewöhnlichen Romanes und seinen Autor ;-)

© Renie