Rezension (4/5*) zu Schau mich an, wenn ich mit dir rede!: Roman von Monika Helfer

ulrikerabe

Bekanntes Mitglied
14. August 2017
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Wien
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Hinschschauen, auch wenn man nicht gerne sehen möchte.

Vev ist ein Scheidungskind, hin und hergerissen zwischen Vater und Mutter. Ihre Mutter Sonja ist psychisch labil und lebt in betreutem Wohnen, bis sie sich in The Dude verliebt und bei ihm einzieht. Vevs Vater Milan, bei dem Vev wohnt, ist vom Geld seiner Mutter abhängig, ist mit Natalie liiert und schläft mit der Trafikantin. Natalie, die von allen Nati genannt wird, so aber nicht heißen möchte, träumt sich ihr Leben in einer Fantasieserie zurecht.

Monika Helfer hat ein Gespür für komplizierte Verhältnisse. Sie zeichnet episodenhaft schonungslose Bilder der schwierigen Beziehungen der Beteiligten untereinander. Erwachsene in ihrer Beziehungs- und Kommunikationsunfähigkeit, die der pubertierenden Vev weder Halt noch Orientierung geben können, taumeln aneinander ziellos vorbei.

Es sind keine großen Anlässe die die Autorin beobachtet, sondern kleine alltägliche Abläufe wie eine U-Bahnfahrt, bei der sich die Tochter für die Mutter schämt. Bezeichnenderweise ist The Dude, der Kriminelle, der einzige der echte Emotionen zeigt, der sich eine Familie für Vev wünscht, der Sonjas Leben reparieren will. Vev fühlt sich hingegen niemanden zugehörig, selbst den Hund, Nemo, Niemand, vergisst sie bei der Trafikantin.

Helfers Sprache ist prägnant und bündig. Sie ergreift für keine Person Partei, lässt ihnen allen Empathie zukommen. „Schau mich an, wenn ich mit dir rede“ muss nicht immer als autoritäre Erziehungsmaßnahme verstanden werden, es kann einfach auch nur bedeuten hinzuschauen, was man lieber nicht sehen möchte.