Rezension Rezension (4/5*) zu Roula Rouge von Mathias Nolte

parden

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13. April 2014
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49
Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Buchinformationen und Rezensionen zu Roula Rouge von Mathias Nolte
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Ein Ost-West-Liebes-Gesellschafts-Kriminal-Spätentwicklerroman..


Jonathan Schotter hat seine Frau Susanne an einen argentinischen "Dichter und Polospieler" und seinen Job in einer Münchner Werbeagentur, in der er früher ein großer Star war, an einen wesentlich jüngeren Kollegen verloren. Nach einer Herzoperation, seit der er mit einer Herzklappe von einem Stier lebt, landet er in Berlin und streift als distanzierter Beobachter durch die Stadt; vom Leben erwartet er nicht mehr allzu viel. Da trifft er in der
S-Bahn eine junge Frau, die ihn fasziniert. Als sie ihren Laptop im Zug vergisst, nimmt Jonathan diesen mit nach Hause. Um die Unbekannte kennenzulernen, recherchiert er wie ein Besessener, knackt Codes, liest die E-Mails der geheimnisvollen Frau, die sich "Roula Rouge" nennt. Und dann schafft er es, ein scheinbar zufälliges Treffen zu arrangieren...


For every style there is an anti-style in wait. (S. 55)


Jonathan Schotter ist 47 Jahre alt und streift seit seinem Umzug arbeitslos kreuz und quer durch Berlin. Geldsorgen hat er allerdings nicht, da er bei seinem Rauswurf aus der Werbeagentur in München noch eine stolze Abfindesumme kassiert hat. Sein frisch renoviertes und puristisch eingerichtetes Loft sowie seine stets makellose Kleidung spiegeln seine große Ordnungliebe wider. Doch der Zufall will es, dass sich Jonathan plötzlich von eingigen Lebensprinzipien verabschiedet und sich in ein ungeahntes Abenteuer in Berlin einlässt.

In der S-Bahn begegnet er einer jungen Frau, und nichts an dieser Begegnung wäre erinnernswert, wenn diese Frau nicht ihren Rucksack mit einem iBook liegen gelassen hätte. Jonathan dreht vor dem Fundbüro um und beginnt zu seinem eigenen großen Erstaunen, der jungen Frau hinterher zu recherchieren. Roula Rouge heißt sie, wie Jonathan schnell herausfindet, ist gerade einmal 23 Jahre alt und zeigt deutliche anarachistische Tendenzen, die ihn eher erschrecken. Wie kommt es, dass eine so junge Frau so wütend sein kann? Und - beinahe ebenso erschreckend - wie kommt es, dass er sich in so jemanden verliebt, ohne ihr je bewusst begegnet zu sein?


Als die Bahn am Reichstag vorbeikam, sagte ich mir: Du bist siebenundvierzig Jahre alt, Schotter. Du machst dich lächerlich. Und Schotter antwortete: Na und! (S. 90)


Eine Liebesgeschichte also? Ja, auch. Aber ohne jeden Kitsch, sondern eingewoben in eine Liebeserklärung an Berlin, in eine Ost-West-Erzählung, in Lebensgeheimnisse, die es zu erforschen gilt, in kriminalistische Aspekte, in einen Gesellschaftsroman voller Kontraste und unterschiedlicher Extreme, unterhaltsam, humorvoll, spannend und mit zahlreichen Überraschungen, die das Lesen interessant bleiben lassen.

Die Charaktere sind bei aller Gegensätzlichkeit sympathisch gezeichnet und bieten trotz ihrer Annäherung einigen Konfliktstoff, auch wenn mir Roula Rouges Wandel teilweise etwas krass vorkam. Das Ende war vielleicht ein wenig zu glatt, aber immerhin offen genug, um nicht doch ins Kitschige abzugleiten. Insgesamt habe ich den beiden Hauptcharakteren jedenfalls gerne über die Schulter geschaut und ihre Scharmützel und Geheimniskrämereien verfolgt.


Ein kleiner diplomatischer Zwischenfall hatte sich ereignet, als Mariola eines Tages mit der frisch gewaschenen Wäsche ins Loft kam, darunter auch Roula Rouges Jeans mit en Löchern in den Knien. Die Hose hatte plötzlich nicht nur eine Bügelfalte, sie war obendrein auch noch geflickt. "Was ist das denn?", hatte Roula Rouge gefragt, während sie sich die Jeans vor die Hüften hielt. Ich sah blanes Entsetzen in ihrem Gesicht (...) "Das? Das hat meine Mutter gemacht", antwortete Mariola. Löcher sind dafür da, um geflickt zu werden, hat sie gesagt." (S. 257)


Dass das Buch auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2007 gelandet ist, hat mich allerdings etwas überrascht, da ich es zwar als angenehm zu lesen empfand, jedoch nicht als stilistisch herausragend. Ein wenig störend fand ich in dem Roman die häufige Aufzählung exklusiver Markennamen, und der arg sorgenfreie oder auch despektierliche Umgang mit Geld und materiellen Gütern stieß mir an manchen Stellen auch etwas unangenehm auf.

Insgesamt jedoch bietet Mathias Nolte hier eine schräge Story, kurzweilig, unterhaltsam und spannend. Lesens- und empfehlenswert!


© Parden

von: Matthew Costello
von: Patrice Leconte
von: Carmen Stephan