Rezension Rezension (4/5*) zu Roter Rabe: Kriminalroman (Max Heller) von Frank Goldammer.

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Buchinformationen und Rezensionen zu Roter Rabe: Kriminalroman (Max Heller) von Frank Goldammer
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Wem kann man noch vertrauen?

Der Krimi ist bereits der vierte Fall des Oberkommissars Max Heller und spielt 1951 in Dresden. Obwohl ich die vorangegangenen Romane nicht gelesen habe, bin ich gut in die Handlung hinein gekommen.

Worum geht es?
Max Heller kehrt zu Beginn der Handlung von einem gemeinsamen Urlaub mit seiner Frau Karin und der Pflegetochter Anni von der Ostsee zurück. Während seine Frau die Erlaubnis hat, ihren erwachsenen Sohn Erwin in Köln zu besuchen, und sich auf die Reise in den Westen macht, wird Max mit zwei Selbstmorden in der Untersuchungshaft konfrontiert.

"Bei den Verhafteten handelt es sich um Mitglieder der Wachturmgesellschaft. Die Anklage lautet Boykotthetze gegen demokratische Einrichtungen und Spionage. Ihnen werden Kontakte zum amerikanischen Geheimdienst nachgesagt. Es gibt konkrete Hinweise, vor allem aus sowjetischen Geheimdienstkreisen und vom MGB." (17/18)

Der zuständige Wachmann - Walter Rehm - wird verhaftet, Heller nimmt Ermittlungen auf. Allerdings wird er von seinem Vorgesetzten Niesbach gewarnt:

"Max, die Sowejts sind aufgebracht. Ein Mitarbeiter des MGB unterstellte mir wortwörtlich, wir hätten die beiden Verdächtigen umgebracht. Ich habe diesen Vorwurf mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen (...), doch gerade jetzt schlägt uns wieder großes Misstrauen entgegen. (...)
Max, gehen Sie mit aller Vorsicht an den Fall heran. Handeln Sie vollkommen transparent, geben Sie Informationen weiter, suchen Sie den Kontakt zum MfS." (26)

Der Fall entwickelt sich zu einem scheinbar undurchdringlichen Knäuel von Handlungsfäden, weitere Tote säumen Hellers Weg. Es scheint so, als ob alle, von denen er Informationen erhalten möchte und oder die er befragt, ermordet würden.
Zudem taucht ein Bekannter aus der Vergangenheit auf, Alexej Saizev, der für den russischen Geheimdienst arbeitet, aber ständig alkoholisiert wirkt. Welche Rolle spielt er in diesem Fall?
Und wer ist der ominöse Amerikaner, dessen Existenz in verschiedenen Kreisen ins Spiel gebracht wird? Ein Spion, oder ein Agent, der in den Westen überlaufen will? Wem kann Heller noch trauen? Während sein Mitarbeiter, Kommissar Werner Oldenbusch verlässlich zu sein sein, hat jener den jungen Unterkommissar Peter Salbach in Verdacht, Informationen weiterzugeben.
Am Ende lösen sich alle Fäden, allerdings hatte ich Mühe, sie immer beim Lesen präsent zu haben, obwohl ich den Roman ohne große Unterbrechungen gelesen habe.

Bewertung
Die Story ist insgesamt solide, wenn auch vielleicht etwas zu verworren, doch die Leistung des Romans besteht darin, die zeitgenössische Atmosphäre der Aufbaujahre in Dresden erlebbar zu machen.
In der Leserunde wurde einhellig die Meinung geäußert, der Roman spiegele die Beklommenheit und Ängste der damaligen Zeit sehr gut wider: Die Angst vor dem kalten Krieg, sogar vor einem Atomkrieg, die Angst davor, seine Meinung frei zu äußern und das Gefühl, niemandem vertrauen zu können.
Das Beispiel Werner Oldenbuschs, der zwei Tage befragt wird, weil seine Verlobte in den Westen "rübergemacht" hat, zeigt die Willkür des neuen Staates, denn Oldenbusch hat offenkundig nichts von den Plänen seiner Zukünftigen gewusst. Während sich die Anzeichen häufen, dass sich eine neue Diktatur anbahnt, ist der Glaube an den Kommunismus bei vielen Parteigenossen noch vorhanden, so glaubt Max Vorgesetzter fest daran, dass die Utopie verwirklicht werden könne - ein Trugschluss, wie wir heute wissen.

Lesenswertes Zeitdokument, das einen guten Einblick in die Anfänge der DDR gewährt.