Rezension (4/5*) zu Noah: Von einem, der überlebte von Takis Würger

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
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Buchinformationen und Rezensionen zu Noah: Von einem, der überlebte von Takis Würger
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Mehr als ein Leben...

Noah Klieger war 13, als er sich während der deutschen Besatzung Belgiens einer jüdischen Untergrundorganisation anschloss und half, jüdische Kinder in die Schweiz zu schmuggeln. Noah Klieger war 16, als er im Morgengrauen als Häftling in Auschwitz ankam, bei Minusgraden. Noah Klieger hatte noch nie geboxt, als am Tag seiner Ankunft im Konzentrationslager gefragt wurde, ob sich Boxer unter den Häftlingen befänden und seine Hand nach oben ging. Die tägliche Sonderration Suppe für die Mitglieder der Boxstaffel von Auschwitz ließ ihn lange genug überleben. Noah Klieger war 20, als die Konzentrationslager befreit wurden. Er hat drei Todesmärsche und vier Konzentrationslager überlebt in einer Zeit, in der ein Wort, eine gehobene Hand oder ein Schritt den Tod bedeuten konnten oder das Leben. Auch in den dunklen, eiskalten Stunden fand er Hoffnung, fand er Kämpfer für den Widerstand gegen die Deutschen, fand er Verbündete, die mit ihm Kartoffeln stahlen, fand er einen Arzt, der ihm das Leben rettete, fand er List und Glück und einen letzten Laib Brot. Takis Würger erzählt die Lebensgeschichte des Noah Klieger – von seiner Kindheit im Frankreich der 1920er Jahre, seinem Überleben in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten bis zu seinem Engagement für die Staatsgründung Israels. Der Bericht eines großen Lebens – atemberaubend gut erzählt. Eine Geschichte, die nicht vergessen werden darf. (Klappentext)

Bücher, Lebensberichte, (Auto-)Biografien über die Shoa gibt es (glücklicherweise) viele, Augenzeugenberichte dagegen werden zunehmend selten, da die Überlebenden des Holocaust aussterben. Um so wichtiger ist es, ihre Lebensberichte festzuhalten - Bücher "gegen das Vergessen", damit nie mehr geschehen kann was damals geschah...

Noah Klieger war solch ein Überlebender, im Alter von 92 Jahren verstarb er am 13. Dezember 2018. Er war jemand, der den Kontakt mit den Deutschen auch nach seiner Auswanderung nach Israel nicht scheute, im Gegenteil. Immer wieder kehrte er nach Deutschland zurück, um vor allem der Jugend in Schulaulen von den furchtbaren Geschehnissen zu berichten und die jungen Menschen empfindsam zu machen auch für die aktuellen Geschehnisse in diesem Land.

Bei solch einem Vortrag lernte der Autor Noah Klieger kennen, und spontan entstand die Idee dieses Buches über die Lebensgeschichte des Überlebenden. Monatelang besuchte Takis Würger den Israeli in seinem Heimatland, und offenbar entstand daraus so etwas wie eine Freundschaft. Zu erzählen hatte Noah Klieger genug, denn was hier auf 188 Seiten präsentiert wird, passt im Grunde in mehr als ein Leben.

Ich war etwas überrascht, als ich feststellte, dass der Bericht über die Ereignisse während des Holocaust nach dem ersten Teil beendet war - für mich ein Gefühl von: "Ja, und jetzt?". Aber natürlich geht das Leben weiter, und tatsächlich gestaltete sich das von Noah Klieger weiterhin als bemerkenswert. Nicht nur, weil er die Gräuel der Judenvernichtung überlebt hat, sondern weil er z.B. zu denjenigen gehörte, die mit der "Exodus 1947" gen Israel fuhren, ein Land, das erst noch gegründet werden wollte...

Dieses Buch ist mehr Schilderung denn ein Roman, und in kurzen, schnellen Sätzen berichtet Takis Würger meist sehr nüchtern über die Geschehnisse im Leben von Noah Klieger. Trotz dieser emotionslosen und spröden Darstellung nahm mich die Schilderung der Gräuel des Holocaust doch immer wieder gefühlsmäßig gefangen. Das Selbstverständnis von Gewalt, Willkür und Tod wird hier sehr deutlich transportiert, eine fast sachliche Darstellung, die nicht über die Unfassbarkeit des Geschehens hinweg täuschen kann. In diesem ersten Teil empfand ich die sachliche Darstellung als einen gelungenen Schreibstil, die Diskrepanz zwischen den Worten und dem, was diese trotzdem auslösten, könnte nicht größer sein.

Die Schilderungen der weiteren Geschehnisse im Leben von Noah Klieger empfand ich dagegen als zu sachlich und emotionslos, und auch wenn der Autor in seinem umfassenden Nachwort betont, dass der Schreibstil vom Holocaust-Veteranen genauso gewollt gewesen sei, kann ich das angesichts der Videobeispiele, die in Plattformen wie Youtube zu finden sind, kaum glauben. Da erläutert Noah Klieger selbst die Geschehnisse und die geschichtlichen Zusammenhänge, die hier in dem Buch vollkommen fehlen.

Und überhaupt: Nachwort. Hier gibt es gleich drei, was ich schon außergewöhnlich finde. Womit auch deutlich wird, dass die Lebensschilderung noch kürzer ist als die 188 Buchseiten zunächst suggerieren. Interessant fand ich Takis Würgers Einlassung, dass er selbst aufgrund von Recherchen Zweifel an dem ein oder anderen von Noah Klieger berichteten Detail hatte, so z.B. über die genaue Dauer seiner KZ-Aufenthalte oder auch ob er dem SS-Lagerarzt Josef Mengele tatsächlich begegnet sein kann. Aber er betont eben auch: das sind Noah Klieger Erinnerungen, und subjektiv betrachtet war es eben genauso. Grauenhaft war es so oder so...

Eine interessante Lebensgeschichte, im Rahmen der Bedeutung der Bücher "gegen das Vergessen" auch ein wichtiges Buch. Allerdings mit Abstrichen aufgrund der enormen Kürze und der meist emotionslosen und spröden Darstellung. Lesenswert - allemal...


© Parden

 

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