Rezension (4/5*) zu Nachleben: Roman. Nobelpreis für Literatur 2021 von Abdulrazak Gurnah

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Buchinformationen und Rezensionen zu Nachleben: Roman. Nobelpreis für Literatur 2021 von Abdulrazak Gurnah
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Über die deutsche deutsche Kolonialherrschaft in Ostafrika

Nachdem Ilyas als Elfjähriger zwangsrekrutiert worden ist und Jahre später in sein Dorf zurückkehrt, sind seine Eltern bereits tot. Seine jüngere Schwester Afiya ist bei Verwandten untergekommen ist, wird von ihnen aber wie eine Sklavin gehalten. Ilyas nimmt sie mit in die Stadt. Als sie dort auf Hamza trifft, entsteht zwischen den beiden eine Liebe. Doch der nächste Krieg rückt schon näher…

„Nachleben“ ist ein Roman von Abdulrazak Gurnah.

Meine Meinung:
Der Roman beinhaltet vier Teile und insgesamt 15 Kapitel. Die Handlung umfasst den Zeitraum vom Ende des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts.

In sprachlicher Hinsicht hat mich der Roman mit seinem nüchternen, antiquiert wirkenden Schreibstil ein wenig enttäuscht.

Inhaltlich hat mich der Roman dagegen mehr überzeugt. Hierin liegt für mich die eigentliche Stärke der Geschichte. Im Mittelpunkt steht die deutsche Kolonialherrschaft in Ostafrika zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Warum zieht ein junger Schwarzer für den deutschen Kolonialherren in den Krieg? Über die koloniale Geschichte von Tansania war mir bis dahin nur wenig bekannt. Als umso interessanter und als augenöffnend habe ich es empfunden, einiges darüber zu erfahren und zudem mitzubekommen, wie weit die Folgen des Kolonialismus und die Einflüsse Europas reichen.

Darüber hinaus zeichnet der Autor ein Bild von den gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Zuständen in Ostafrika, was den Roman schon alleine deswegen lesenswert macht. Zugleich erzählt er eine Familiengeschichte.

Der Fokus des Romans liegt auf verschiedenen Charakteren. Zunächst geht es um Khalifa. Dann spielt Ilyas die Hauptrolle. Später wechselt die Perspektive erneut. Etwas verwirrend wird die Lektüre durch Namensähnlichkeiten. Zudem tauchen vor allem zu Beginn viele unterschiedliche Figuren auf verhältnismäßig wenigen Seiten auf, was den Einstieg in die Geschichte erschwert hat. Positiv anzumerken ist, dass die Charaktere insgesamt authentisch rüberkommen und deren Darstellungen viele Grautöne aufweisen.

Der Originaltitel („Afterlives“) wurde erfreulicherweise wortgetreu übersetzt. Das optisch ansprechende Cover hat wenig inhaltlichen Bezug, ist jedoch nicht unpassend.

Mein Fazit:
Obwohl „Nachleben“ von Abdulrazak Gurnah meine durch den Nobelpreis bedingten hohen Erwartungen vor allem auf sprachlicher Ebene nicht erfüllen konnte, halte ich das neueste Werk des Autors für empfehlenswert. Besonders westliche Leserinnen und Leser erwartet eine lehrreiche Lektüre, die nachhallt.