Rezension Rezension (4/5*) zu Main Street: Roman von Sinclair Lewis.

Anjuta

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8. Januar 2016
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Buchinformationen und Rezensionen zu Main Street: Roman von Sinclair Lewis
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Weltverbesserungssatire

Sinclair Lewis war ein amerikanischer Schriftsteller, der durch gesellschaftskritische Romane so berühmt wurde, dass im 1930 sogar der Nobelpreis für Literatur verliehen wurde. Es geht bei ihm in der Regel um eine kritische Darstellung des amerikanischen Kleinbürgertums und Mittelstandes. Mit einer Neuausgabe des Manesse-Verlages eines seiner ersten Erfolgsromane „Main Street“ aus dem Jahr 2018 konnte ich mir einen Zugang zu diesem amerikanischen Klassiker erlesen.
In dem Roman geht es um Carol, die eine Frau voller Tatendrang und Veränderungswillen ist, und die durch eine Heirat mit dem Arzt Willy in das Provinznest Gopher Prairie verschlagen wird. Hier wird über Hunderte von Seiten geschildert wie sie zwischen Konventionen und den Erwartungen der Gesellschaft auf der einen Seite und ihren eigenen Ansprüchen und Wünschen auf der anderen aufgerieben wird. Die Beengtheit der Möglichkeiten, die die amerikanische Gesellschaft in diesem Provinznest einer Frau wie ihr einräumt ist überall im Roman spürbar. Veränderung kämpft mit Beharrungswillen. Lange hält Carol an der Überzeugung fest, sie könne „ein Saatkorn der Liberalisierung in das Bollwerk der Mittelmäßigkeit pflanzen.“ Doch sie muss auch irgendwann einsehen, dass ihr keine Erfolge beschert sein werden:
„Es war eine Straße jenseits des Endes der Welt, jenseits aller Hoffnungsgrenzen. Selbst wenn sie bis in alle Ewigkeit hier sitzen bliebe, würde keine tapfere Prozession, ja nicht einmal ein einziger interessanter Mensch vorüberziehen. Es war die greifbare Langeweile, die Straße war erbaut aus Trägheit und Sinnleere.“
Für eine Übergangszeit entflieht Carol dieser Welt der Sinnleere und lebt als berufstätige Frau und Mutter ein Leben in Washington, in dem sie an der Seite von Kämpferinnen für das Frauenwahlrecht ein eher ihren Träumen und Wunschvorstellungen gemäßes Leben lebt. Aber die Konventionen sind am Ende doch zu übermächtig und sie kehrt als zumindest halbgeläuterte Frau wieder nach Gopher Prairie an die Seite ihres Mannes zurück.
Mein Fazit:
Lewis schildert Carols Schicksal mit sehr viel Sympathie für ihre Leiden an der Enge des Frauenlebens und malt ein Bild der amerikanischen Kleinstadt voller beißender Satire und in spöttelnder Distanz. Auf dem Klappentext wird der Roman treffend als „Weltverbesserungssatire“ bezeichnet.
Dank an den Manesse-Verlag für diese Neuauflage eines immer noch aktuellen Romans. Gopher Prairie ist immer und überall!