Rezension Rezension (4/5*) zu Kornblumenblau von Christian Schünemann.

wal.li

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1. Mai 2014
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Buchinformationen und Rezensionen zu Kornblumenblau von Christian Schünemann
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Politikum

In Belgrad werden zwei Soldaten tot aufgefunden, erste Ermittlungen werden mit dem Ergebnis Selbstmord abgeschlossen. Ein Anwalt mag diesem Urteil jedoch nicht vertrauen und lässt dieses Ergebnis in Deutschland überprüfen. Um sicher zu stellen, dass mit der Übersetzung des Berichts aus Deutschland keine Fehler gemacht wurden, wendet er sich an Milena Lukin, die sowohl die deutsche als auch die serbische Staatsbürgerschaft innehat. Tatsächlich weicht ihre Übersetzung des Berichts von der offiziellen ab. Milena, die sich im Rahmen ihrer Habilitation mit der Aufarbeitung von Kriegsverbrechen beschäftigt, ist neugierig geworden. Wieso wurden die Toten ausgerechnet einen Tag nachdem sich ein Kriegsverbrechen jährt gefunden?

Als EU-Beitrittskandidat hat Serbien einen gewissen Prozess zu durchlaufen. Und so wird Milena Lukins Stelle sowohl aus Deutschland als auch von Serbien finanziert. Ihre Tätigkeit ist allerdings nicht einfach, denn mit der Aufarbeitung der Vergangenheit scheint sich jedes Regime schwer zu tun. Als sie sich nun auch noch in die Ermittlungen zu den beiden Todesfällen einmischt, stößt sie nicht auf Unterstützung. Man möchte die Sache am liebsten unter den Tisch kehren. Wären da nicht die Familien der Opfer, die ihren tragischen Verlust kaum ertragen können. Schritt für Schritt taucht Milena eine auch ihr fremde Welt ein.

Milena Lukin wirkt etwas zerrissen zwischen ihren beiden Staatsbürgerschaften. Wie soll sie ihrem Sohn gerecht werden, dessen deutscher Vater in Hamburg lebt und ihm ein Leben der Sorglosigkeit und des Konsums bieten kann, während sie in Belgrad gemeinsam mit ihrer Mutter jeden Groschen umdrehen muss. Doch die Familienbande sind nicht zu lösen und auch ihre politische Aufgabe betrachtet sie mit großem Ernst. Manchmal wünscht sie sich mehr Leichtigkeit und kann sie doch nicht annehmen. Mit Akribie macht sie sich deshalb auf die Suche nach dem Hintergrund der Todesfälle und stößt dabei auf politische Gleichgültigkeit und tragische Schicksale.

Dieser EU-Beitrittskandidat, ein Rest des ehemaligen Jugoslawiens, wirkt doch sehr fremd. Immer noch gezeichnet durch den Krieg ist das Land und immer noch intrigieren die Mächtigen wie eh und je. Nachdem man sich in die Fremdheit hinein gefunden hat, entdeckt man einen spannenden Krimi, der ausgesprochen gut recherchiert wirkt. Gefesselt verfolgt man Milena Lukin, die geradeaus auf ein Ziel zumarschiert, das sie zunächst nicht entschlüsseln kann, das aber mit jedem Hinweis klarer wird und eher betrüblich stimmt. Auch heute noch wird die Aufklärung von Einflüssen bestimmt, die an dem echten Willen Klarheit zu erlangen zweifeln lässt. Und das gilt sicher nicht nur für Serbien. Erst einmal gepackt, lässt einen dieser Roman nicht so schnell los.


 

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