Rezension Rezension (4/5*) zu Kalmann von Joachim B. Schmidt.

RuLeka

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30. Januar 2018
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Buchinformationen und Rezensionen zu Kalmann von Joachim B. Schmidt
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Der selbsternannte Sheriff von Raufarhövn

Joachim B. Schmidt, gebürtiger Graubündner, lebt seit 2007 mit seiner Familie in Island. Hier spielt auch sein vierter Roman, in einem kleinen Dorf namens Raufarhövn, im Nordosten des Landes. Der Ort hat schon bessere Tage gesehen. Doch nachdem die Fischbestände im Meer schwinden und in der Folge eine Fangquote eingeführt wurde, verlor das Dorf seine Existenzgrundlage. Viele zogen weg, mittlerweile leben hier nur noch um die 170 Menschen.
Einer von ihnen ist Kalmann, der Ich- Erzähler des Romans. Er, ein Mann Anfang Dreißig, ist etwas einfach im Kopf. Seinen Lebensunterhalt verdient er mit dem Haifischfang und der Herstellung von Gammelhai, eine etwas gewöhnungsbedürftige Spezialität des Landes. Alles Wesentliche hat ihm sein Großvater beigebracht, nicht nur das Handwerkliche, sondern auch die Sicht auf das Leben. Dass der Großvater nun dement im Altersheim vor sich hindämmert, macht Kalmann traurig.
Gerade jetzt könnte er seinen Rat gebrauchen. Denn auf der Jagd nach einem Fuchs stößt Kalmann auf eine riesige Blutlache. Gleichzeitig wird auch der Hotelbesitzer Robert McKenzie, der Boss und Quotenkönig von Raufarhövn, vermisst. Die Kriminalpolizei schaltet sich ein, Kalmann ist der wichtigste Zeuge. Nun beginnt die Suche nach dem Vermissten, leider erfolglos.
Doch dann fängt Kalmann einen Grönlandhai und im Magen des Tiers befindet sich ein grausiger Fund: eine menschliche Hand.
Der Kriminalfall ist nur der treibende Motor der Geschichte; die Fragen nach der Todesursache, dem Motiv und dem Täter sorgen für durchgehende Spannung.
Aber das Besondere an dem Roman ist der ungewöhnliche Protagonist, ein spezieller Vertreter des „ unzuverlässigen Erzählers“.
Kalmann ist zwar geistig auf dem Stand eines Kindes, hat aber gerade deshalb einen eigenen Blick auf die Dinge. Er weiß, dass er anders ist, sieht sich selbst manchmal in der Rolle des „ Dorftrottels“. In der Schule hatte er Schwierigkeiten mit dem Lernen; die Mitschüler machten sehr oft Witze auf seine Kosten. „ Ich lachte mit, denn es ist besser, mit anderen zu lachen, als der Einzige zu sein, der nicht lacht. Sonst ist man einsam.“
Doch die Liebe und Fürsorge seines Großvaters gaben ihm Selbstvertrauen. „Ich war einfach anders. Aber Großvater hatte mir einmal gesagt, dass jeder in gewisser Weise anders sei, und darum sei ich ganz normal.“
Auch seine Mutter schaut immer wieder nach dem Rechten bei ihm. Und inzwischen wird er akzeptiert von den Bewohnern des Dorfes „ ... und es sind immer die Leute aus Raufarhövn, die mich verteidigen, denn hier kennt man mich, hier bin ich wer.“
Auch wenn er mit Cowboyhut, Sheriffstern und der alten Mauser, Erbstück seines amerikanischen Vaters, loszieht.
Nur manchmal, wenn die Dinge nicht so ablaufen wie gewohnt, rastet er aus. Meistens richten sich seine Aggressionen aber gegen sich selbst.
Doch draußen auf dem Meer kommt er zur Ruhe. Hier in der Natur fühlt er sich wohl.
Dabei gelingen dem Autor immer wieder beeindruckende Landschafts- und Naturbeschreibungen, die im Leser die Sehnsucht nach Island wecken.
Das Buch wartet mit vielen komischen Dialogen und filmreifen Szenen auf, so z. B. ein Fernsehinterview, in dem Reporter und Kalmann aneinander verzweifeln ( Loriot lässt grüßen).
Zum Schluss kommt es zu einer überraschenden Auflösung. Das Zitat „ Unter einem Eisbären kann es sehr dunkel sein“ wird in einer tollen Szene illustriert. Auch das positive Ende für unseren Helden, inklusive der ersehnten Frau, gönnt man ihm.
„ Kalmann“ ist ein amüsanter, spannender Roman, gespickt mit einigen Lebenswahrheiten und Informationen über Land und Leute, mit einem außergewöhnlichen und sympathischen Protagonisten. Ich habe die Lektüre sehr genossen und wünsche dem Buch viele Leser.



 

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