In Berlin tobt das Leben, nur die 27-jährige Hannah spürt, dass ihres noch nicht angefangen hat. Ihre Großmutter Evelyn hingegen kann nach beinahe hundert Jahren das Ende kaum erwarten. Ein Brief aus Israel verändert alles. Darin wird Evelyn als Erbin eines geraubten und verschollenen Kunstvermögens ausgewiesen. Die alte Frau aber hüllt sich in Schweigen. Warum weiß Hannah nichts von der jüdischen Familie? Und weshalb weigert sich ihre einzige lebende Verwandte, über die Vergangenheit und besonders über ihre Mutter Senta zu sprechen?Kaufen
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Berlin 1942: Senta Goldmann katalogisiert für ihren Schwiegervater eine Reihe von Gemälden, die der jüdische Kunsthändler den Nationalsozialisten übergeben muss. Es ist der Vorabend seiner Deportation. Von den Bildern und der Liste verliert sich nach dem Krieg jede Spur. Jahre später erinnert sich Senta an die Werke, vor allem an das eine mit folgenden Worten: Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid, von Johannes Vermeer….
Berlin, heute: Hannah arbeitet an ihrer Doktorarbeit, hat eine Affäre mit ihrem Professor und einmal pro Woche besucht sie ihre 94-jährige Großmutter Evelyn in der Seniorenresidenz. Zufällig entdeckt Hannah dort einen Brief einer israelischen Anwaltskanzlei, indem es um Restituierung eines Gemäldes aus ehemals jüdischem Besitz geht. Evelyn will mit der Sache nichts zu tun haben. Doch Hannah beginnt nachzuforschen und erfährt von einer Familiengeschichte, die bislang verschwiegen wurde.
Der Journalistin und Autorin Alena Schröder ist ein eingängiger und stimmiger Generationenroman gelungen, der sich von den 1920er Jahren bis zu unseren heutigen Tagen erstreckt. Da ist in Rostock die junge Senta, die nach der Geburt ihrer Tochter Evelyn nicht mehr die „Kleene“ des ehemaligen Fliegerasses sein will und ihre Familie verlässt, um nach Berlin zu gehen. Evelyn, die Ärztin geworden ist, und ihrer eigenen Tochter Sylvia gegenüber immer das Gefühl hatte ihr etwas schuldig geblieben zu sein. Zu ihrer Enkelin Hannah verspürt sie eine innige Bindung, die nach dem frühen Tod von Sylvia noch stärker wurde, aber Evelyn ihre Gefühle nur selten wirklich preisgibt. Hannah sucht noch nach ihrem Platz. Als die junge Frau sich mit der Geschichte ihrer Urgroßmutter auseinanderzusetzen beginnt, ist sie schließlich auch in der Lage sich in ihrem Leben zurechtzufinden, anzukommen.
Es sind vier eigenwillige Frauen mit unterschiedlichen Lebensmodellen. Es geht stark um die Zufriedenheit – oder das genaue Gegenteil - von Mutterschaft. Mütter, Töchter, Enkeltöchter müssen sich hier in unterschiedlichsten Konstellationen zusammenraufen. Leitmotiv ist ein verschwundenes Gemälde, vernehmlich ein Vermeer, und doch, es ist kein Kunstroman, auch keine Jagd nach einem Schatz. Niemals könnte die Rückerstattung eines Bildes das Unrecht der Nazis, das an Millionen Menschen verübt wurde, wiedergutmachen. Doch hier ist es auch ein Symbol für die Wiedergutmachung im Kleinen, die Aussöhnung mit einer komplizierten Familiengeschichte.
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