Rezension Rezension (4/5*) zu Jack von Anthony McCarten.

Anjuta

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8. Januar 2016
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Buchinformationen und Rezensionen zu Jack von Anthony McCarten
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Auf den Spuren von Jack Kerouac

Von Anthony McCarten, dessen Bücher mich in den vergangenen 2 Jahren schon mehrfach beschäftigt haben, habe ich nun auch sein neuestes Werk „Jack“ gelesen. Mein Interesse weckte bei mir dabei nicht nur der Autor, sondern auch der Stoff: Es geht um Jack Kerouac, einen amerikanischen Autor, der mit „Unterwegs“ (On the road) ein „One Hit Wonder“ (so würde man das im Musikgeschäft wohl nennen) gelandet hat und danach wieder ziemlich schnell und vollständig von der literarischen Bildfläche verschwand. Ich war neugierig, was es über ihn zu erfahren gibt.
Aber eine Warnung vorweg: Es handelt sich hier nicht um eine Biografie von Kerouac. McCartens Roman ist ein fiktionaler Text mit sicherlich sehr vielen Anknüpfungen an die reale Geschichte, aber wohl auch mit viel zusätzlich Erdachtem und Erfundenem.
In dem Roman spürt Jan, eine junge amerikanische Literaturwissenschaftlerin, Jack Kerouac nach und versucht dieser zentralen Figur der Beat Generation, der sich sehr vollständig aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat, nachzuspüren und seine Nähe zu finden. Über ihre Motive dazu später.
Wir treffen Jack Kerouac in dem Roman im Jahr 1969 und erfahren schon auf der ersten Seite des Romans, dass dies auch sein Todeszeitpunkt ist. Jan steht bei seiner Beerdigung abseits der Trauergesellschaft und der Leser erfährt, dass zwischen den beiden – Jan und Jack – eine ganz besondere Beziehung und Nähe bestand und genau mit dieser befasst sich dann im weiteren Verlauf auch der Roman.
Jan setzt sich auf die Fährte des Autors und kann ihn, der so lange schon abgetaucht ist, tatsächlich im Haus seiner Mutter aufspüren. Er, der sich jeglicher Öffentlichkeit entzogen hat, lässt sich nach hartnäckigem Drängen auf Gespräche mit ihr ein und gibt ihr schließlich die Erlaubnis, eine komplette Bibliographie seines Werks zu verfassen. Eigentlich möchte Jan noch weitergehen und eine Biographie des Autors schreiben, aber hierbei blockt Jack dann doch ab. Die verborgenen Geheimnisse und Wahrheiten seines Lebens möchte er verborgen halten. Da ist vor allem die Geschichte rund um das Verhältnis zu seinem ehemals besten Freund , der als Dean Moriarty die Hauptfigur in „Unterwegs“ ist und der später u.a. wegen Drogendelikten im Gefängnis landet. Jacks Rolle bei seiner Festnahme und langen Inhaftierung ist dabei nicht sehr erfreulich und ihre Freundschaft wird nie wieder aufgenommen oder belebt.
Und dennoch öffnet sich Jack Jan gegenüber so sehr wie er es nur selten oder nie zumindest in seinem reiferen Leben einem Menschen gegenüber getan hat. Da wirft Jan eine sensationelle Nachricht in die Geschichte hinein. Sie sei Jacks Tochter, geboren von Jacks zweiter Ehefrau nach deren Trennung von Jack. Ihr Interesse an Jack sei also nicht literaturwissenschaftlicher, sondern familiärer Natur. Jack ist geschockt, aber auch fasziniert von diesem Gedanken, auf einmal eine Tochter haben zu können. Er nimmt sie in sein Haus auf, wo sie eine Zeit lang auch wohnt und dabei Jacks Neffen Petey aus dem Haus verdrängt. Das wiederum verleitet diesen dazu genauere Nachforschungen über Jan anzustellen, um ihre Tochterversion zu überprüfen. Dabei kann er ihre Version widerlegen und sie als Lügnerin entlarven.
Wir haben es bei Jan also eher mit einer Stalkerin, denn mit einer armen, vom versoffenen Vater verlassenen Tochter zu tun. Und doch bleibt es, wie es war: Sie ist diejenige, die der verschütteten Geschichte um den Autor Jack Kerouac nach seinem Welterfolg am nächsten gekommen ist.
Aber auch bei ihr bleiben eine Menge weiße Flecken, Lücken und Fragezeichen und es ist McCartens Verdienst, mit diesem Roman eine Geschichte rund um ein lückenhaftes, aber bedeutendes Kapitel der amerikanischen Literaturgeschichte geschrieben zu haben und so den Geist dieser Autoren- und Literatur-Generation wiederbelebt zu haben. Die Beat Generation behält mit diesem Roman ihre Schemenhaftigkeit. Sie entzieht sich der normalen Behandlung durch Kritiker und Literaturgeschichtler. Aber sie spielt ihre ganz besondere Rolle.
FAZIT:
Antony McCarten versteht es tatsächlich, Geschichten zu konstruieren und zu erzählen! Er kommt mit diesem Roman dem Beatnik Jack Keruoac sehr nahe, ohne ihn zu fassen zu kriegen. Und genau darin liegt die Würze und Reife dieses Romans.
Ich vergebe dicke 4 Punkte.


 

Helmut Pöll

Moderator
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9. Dezember 2013
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München
„Unterwegs“ (On the road) ein „One Hit Wonder“ (so würde man das im Musikgeschäft wohl nennen)
"Unterwegs" von #jack kerouac ist ein tolles Buch @Anjuta . Kann ich nur empfehlen.

Er soll "Unterwegs" in nur drei Wochen auf eine Papierrolle getiuppt haben, um sich so den ständigen Wechsel der Blätter in der Schreibmaschine zu ersparen.
 
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