Rezension (4/5*) zu In all deinen Farben von Bolu Babalola

parden

Bekanntes Mitglied
13. April 2014
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49
Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Lesenswerte Neuinterpretationen Geschichten der Mythologie...

Bolu Babalola hat die schönsten Liebesgeschichten der Mythologie mit unglaublicher Frische und Lebendigkeit neu erzählt. Sie konzentriert sich auf die magischen Volksmärchen Westafrikas und erfindet auch griechische Mythen, alte Legenden aus dem Nahen Osten und Geschichten aus Ländern neu, die in unserer Welt nicht mehr existieren. Die Frauen in ihren Love Stories sind kämpferische Verfechterinnen ihrer Leidenschaft, verlieren aber nie den Blick darauf, dass die wichtigste Liebe von allen die Selbstliebe ist. Während in der Mythologie Frauen oft die Opfer männlicher Begierde sind, geben bei Bolu Babalola immer die Frauen den Ton an und nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand. In all deinen Farben wechselt aufregend Perspektiven, Kontinente und Stile, durchschreitet Grenzen von Zeit und Raum – und feiert die Romantik in all ihren Formen. (Klappentext)

13 Geschichten präsentiert dieser Band, dessen farbenfrohes Cover definitiv ein Hingucker ist. Liebesgeschichten? Mythologie? Beides Dinge, mit denen ich mich eher selten befasse, aber die Neuinterpretation reizte mich dann doch. Wie schafft man es, mythische Figuren aus den vergangenen Jahrhunderten in die moderne Zeit zu transportieren? Noch dazu, wie die Autorin in ihrem Nachwort verrät, stets mit einer starken Frauenfigur, die in der Lage und willens ist, eigene Entscheidungen zu treffen? Wenn meine Erinnerung mich nicht trügt, geht es in der Mythologie sehr oft um männliche Figuren, die letztlich auch die Entscheidungsgewalt haben.

Osun, Scheherazade, Psyche, Attem, Yaa, Siya, Nofretete, Naleli, Zhinü, Thisbe, Tiara, Orin, Alagomeji. Das sind die Frauenfiguren, die den 13 Geschichten ihren jeweiligen Namen geben. Mir sagten immerhin Scheherazade, Nofretete und Psyche etwas, und ich habe gemerkt, dass ich beim Lesen ihrer von Bolu Babalola neuinterpretierten Geschichten aufmerksamer und interessierter war als bei den anderen Storys, eben weil mir die ursprüngliche Erzählung bekannt war. Was hatte sich verändert? Nun, bis auf die Namen und einige grundsätzliche Züge der Geschichte so ziemlich alles. Das geht vermutlich auch nicht anders, will man die Erzählung glaubwürdig in die heutige Zeit transportieren.

Liebesgeschichten - hier in diesem Buch sind sie nicht zwangsläufig mit dem trypischerweise erwarteten Happy End versehen, jedenfalls nicht für jede:n. Eine Geschichte rief am Ende sogar eine Gänsehaut bei mir hervor. Die letzten drei Erzählungen sind keine Anleihen an die klassische Mythologie mehr, sondern stammen rein aus der Feder der Autorin. Zumindest bei der allerletzten Geschichte werden dann auch persönliche Bezüge deutlich, denn diese erzählt von der Liebesgeschichte von Mama und Papa Babalola.

Um wirklich honorieren zu können, wie kreativ die Neufassung der Erzählungen der Mythologie geraten ist, müsste man wohl konsequent die jeweilige Originalfassung kennen. Gerade mit der afrikanischen Mythologie kenne ich mich jedoch gar nicht aus, und viele der Figuren stammen ursprünglich aus der Tradition afrikanischer Länder. Ich fand es trotzdem spannend, auch in diesen Kulturbereich einen kleinen Einblick zu erhalten, und auch ohne das Wissen um die Originalfassung konnten mich die meisten der Geschichten gut unterhalten und z.T. auch überraschen.

Alles in allem eine ansprechende Sammlung von Kurzgeschichten, die ich allen, die dieses Format mögen und auch positiv eingesellt sind gegenüber starken Frauen und ein wenig Emotionen, wirklich empfehlen kann.

Ein interessanter Blick über den Tellerrand...


© Parden