Rezension Rezension (4/5*) zu Ich, Eleanor Oliphant: Roman von Gail Honeyman.

wal.li

Bekanntes Mitglied
1. Mai 2014
2.713
2.674
49
Mummy

Gerade dreißig geworden lebt Eleanor Oliphant in Glasgow. Seit dem Studienabschluss arbeitet sie als Buchhalterin in der Agentur. Sie ist keine von den interessanten Kreativen, eher eine Büromaus. Aber sie lebt gut so, alles ist in Ordnung. Auch ihre kleine Wohnung ist völlig okay. Ihre Pflanze Polly, die sie schon seit vielen Jahren hegt und pflegt, ist eine gute Gesellschaft und mit den um-die-Ecke-gedacht Kreuzworträtseln vergeht die Zeit wie im Flug. Wochenenden sind eh überbewertet und zwischenmenschliche Kontakte auch. Als Eleanor jedoch einen jungen Musiker entdeckt, gerät ihre geordnete Welt in Aufruhr. Der neue It-Spezialist in der Agentur, Raymond, der ihren Computer reparieren muss, ist dagegen ein schlecht angezogener Langweiler.

Eleanor hatte eine Kindheit, über die sie lieber nicht redet. Ihr reichen die wöchentlichen Kontakte zu ihrer Mummy, die woanders ist. Überhaupt hat sie sich ihr Leben bestmöglich eingerichtet. Bestmöglich heißt allerdings auch eintönig. Arbeit von 9 bis 5, jeden Tag die gleichen Mahlzeiten, von der Kleidung mehrere Exemplare (eins wird getragen, eins in der Wäsche), am Wochenende Kreuworträtsel, Bücher und eine gewisse Menge Wodka, die beim Einschlafen helfen soll. Und am besten sagt man zu Eleanor ganz genau, was man meint, Interpretationen führen auf Minenfelder und die sind zu vermeiden. Da passen weder ein Sänger noch ein Raymond hinein.

Und doch auch eine Eleanor, die ihr Leben notwendigerweise durchgetaktet hat, kann sich verändern. Da gibt ein Sänger einen nicht so schlechten Grund, um mal zum Friseur oder zur Kosmetik zu gehen. Und Raymond ist einer, der sich durch Eleanors etwas gekräuselte Ausdrucksweise nicht abschrecken lässt, und sie einfach so behandelt als wären sie befreundet. Nach und nach öffnet sich Eleanor ein wenig und erfährt, dass es auf der Welt noch mehr gibt als sie sich bisher an Erfahrungen erlaubt hat. Und die Worte ihrer Mummy sind auch nicht immer der Weisheit letzter Schluss.

Bei „Ich, Eleanor Oliphant“ handelt es sich um ein wahrhaft lesenswertes Buch. Eleanor hat eine anrührende Persönlichkeit. Vielleicht kommt sie einem erst etwas speziell vor, doch je mehr man von ihrer Vergangenheit erahnt, desto mehr Verständnis und Mitgefühl kann man für sie aufbringen. Wobei die Andeutungen zur Vergangenheit die Handlung nicht zu sehr belasten. Eleanor und ihr Weg zu sich selbst stehen im Mittelpunkt und Eleanor hat es verdient, dass ihr das Interesse gilt. Man kann sich anders entwickeln, man kann anders sein und gerade deshalb liebenswert. Mit knapp über dreißig hat Eleanor Oliphant endlich ein Leben und eine Zukunft.


 
  • Hilfreiche Rezension
Reaktionen: KrimiElse