Rezension Rezension (4/5*) zu Heimweh: Thriller von Marc Raabe.

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
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Buchinformationen und Rezensionen zu Heimweh: Thriller von Marc Raabe
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Dunkle Vergangenheit...


Jesse Berg ist ein erfolgreicher Kinderarzt. Frisch geschieden, kümmert er sich liebevoll um seine kleine Tochter Isa. Über seine Vergangenheit spricht er nicht. Bis plötzlich seine Exfrau ermordet und seine Tochter entführt wird. Der Täter hinterlässt für Berg eine Nachricht: Sie gehört dir nicht. Du musst sie vergessen. Berg ist klar, dass er selbst das Ziel des Anschlags ist. Eine langvergessene Schuld drängt ans Licht. Um Isa zu finden, muss er das tun, was er nie wollte: zurück in seine Vergangenheit. Zurück ins Heim. Dort hat er gelernt, sich zu wehren, und dort wäre er beinahe getötet worden. Berg nimmt die Kampfansage an. Denn für Isa würde er alles tun. Auch ein zweites Mal durch die Hölle gehen.

Jesse Berg ist entsetzt, als er seine Tochter besuchen will und in der Wohnung nur seine Exfrau ermordet vorfindet. Von seiner Tochter Isa keine Spur, nur ein Spruch an der Wand: 'Du hast sie nicht verdient!'. Der erfolgreiche Kinderarzt wähnt sich in einen Alptraum katapultiert - der gleich noch einmal schlimmer wird, weil die Freundin seiner Exfrau die Wohnung in dem Moment betritt als er sich über die Leiche beugt. Es scheint kaum möglich, Jule zu erklären, dass er nicht der Mörder ist, denn verständlicherweise ist die Freundin außer sich.

Keine Polizei, so viel ist Jesse klar, denn auch die würde ihn möglicherweise für den Täter halten - und Zeit kosten. Zeit, die Jesse nicht hat, denn er muss seine Tochter suchen. Und er ahnt schon, dass die Lösung in seiner Vergangenheit liegt. In einer Zeit, auf die er nie wieder zurückblicken wollte, einer Zeit, die Löcher hat, denn mit 13 Jahren hatte Jesse einen Unfall, der alles auslöschte, was davor war. Seither hatte der Kinderarzt nie das Gefühl, wirklich er selbst zu sein, da ihm immer etwas fehlte.

Jesse zwingt Jule mit ihm zu kommen, in die Berge nach Garmisch-Partenkirchen, zum Kinderheim, in dem er aufwuchs. Denn er braucht Antworten, muss endlich wissen, was damals genau geschah - und wer er vor dem Unfall war. Und diese Antworten können ihm nur die Menschen geben, die dort noch leben. Denn sonst, so ahnt Jesse, sieht er seine kleine Tochter nie wieder...

Marc Raabe, der aus dem Bereich der Filmproduktion kommt, lässt hier mehrere Handlungs- und Zeitsträngen nebeneinander herlaufen - aus der Sicht von Jesse (in Gegenwart und Veragngenheit) wird ebenso erzählt wie aus der Sicht der kleinen Isa, gelegentlich auch anderer Figuren. Durch die kleinen Cliffhanger, die häufig am Ende der Abschnitte auftauchen, entsteht so ein Lesefluss, der v.a. im letzten Drittel des Buches kaum noch zu stoppen ist. Es gelingt dem Autor, die einzelnen Stränge zunehmend miteinander zu verflechten, so dass am Ende tatsächlich für mich keine Fragen mehr offen blieben.

Der Spannungsbogen ist von Anfang an gegeben und steigert sich zum Ende hin, wobei zu Beginn v.a. auch die vielen Fragezeichen und ungeklärten Details für Spannung sorgen, während es gegen Ende dann in einem klassischen Showdown mündet. Die geschilderten Gewaltszenen sind nichts für zarte Gemüter, doch empfand ich sie diesmal wohldosierter als beispielsweise in 'Der Schock'.

Die Atmosphäre ist düster und kalt, die Charaktere authentisch gezeichnet. Auch wenn es die ein oder andere nicht ganz glaubwürdige oder nachvollziehbare Stelle gibt, hat mich der Thriller als Ganzes diesmal wirklich überzeugt. Dies freut mich um so mehr, als ich mit einem anderen Thriller von ihm ('Der Schock') so gar nicht zurechtkam. Da zeigt sich wieder einmal, dass es sich durchaus lohnen kann, einem Autor auch eine zweite Chance zu geben!


© Parden