Rezension (4/5*) zu Guten Morgen, Genosse Elefant: Roman von Christopher Wilson.

wal.li

Bekanntes Mitglied
1. Mai 2014
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Spitz die Ohren

Juris Vater ist der erste Veterinär des Zoos, besonders mit den Gehirnen der Tiere kennt er sich gut aus. Seine Erfahrung nutzt ihm auch im Umgang mit seinem 12jährigen Sohn. Leider muss man sagen, denn der Junge hat mit sechs einen schweren Unfall überlebt, nachdem sein Gehirn nicht mehr so ganz wie erwartet funktioniert. Das vertrauenserweckende Lächeln Juris macht dessen Leben nicht eben einfacher. Wildfremde Menschen vertrauen ihm manchmal ihre Geheimnisse an. Und so geht es auch dem Stählernen, zu dem der Vater gerufen wird, weil alle bekannten Menschenärzte irgendwie unpässlich sind. Und so wird Juri zum Vorkoster erster Klasse.

Einiges erfährt Juri während seiner Zeit in Stalins Residenz, Gutes und weniger Gutes. Jeder will den lächelnden Jungen für sich einspannen. Doch Juri ist unsicher in seiner Loyalität, die Meisten scheinen dem Stählernen Übles zu wollen. Und dieser kann bestens fluchen und sich über seine Vasallen aufregen und sie zu einem Aufenthalt im Gulag verurteilen. Allerdings ist der Stählerne nicht bei bester Gesundheit. Und muss er mal wieder an mehreren Orten gleichzeitig sein, sind ausgebildete Doppelgänger zur Stelle. Juris Vater, der den Regenten untersuchte, ist inzwischen verschwunden. Ebenso verschwunden wie die Mutter, die die Familie verlassen hat so wie der Vater berichtet.

Mit kindlichen Worten berichtet Juri von ernsten Ereignissen. Die letzten Wochen vor Stalins Tod. Dieser ist misstrauisch gegenüber seinen eigentlichen Vertrauten. Juris Naivität muss ihm wie ein Labsal erscheinen. Doch selbst in dieser Situation versucht der Alte den Jungen für seine Zwecke zu benutzen, da ist er keinen Deut besser als seine Minister. Mit Juris Augen blickt man in eine seltsame Welt eines alternden Politikers, dessen Gesundheit versagt. Was ist Täuschung, was Selbsttäuschung. Kann Juri, der durch den Unfall ein geschädigtes Gehirn hat, überhaupt alles erfassen, was er hört und sieht. Und doch gewinnt Juri mit seinem Lächeln, das für den Leser unsichtbar bleibt, eben jenen. Manche seiner Erlebnisse lassen einen erschauern, manche lassen einen hoffen. Mit dem Diktator bekommt man Mitleid, das Ende seiner Tage war beschwerlich und schmerzhaft. Neugierig fragt man sich, wie viel Wahrheit in der Geschichte steckt und natürlich findet man im großen weiten Netz Informationen, die vermuten lassen, dass nicht alles erfunden ist, außer Juri vielleicht.