Rezension (4/5*) zu Ginsterhöhe von Anna-Maria Caspari

Kristall86

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22. März 2021
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1.526
44
An der Nordseeküste
Eine Geschichte die mit besonderem Stil erzählt wird

Klappentext:

„1919: Körperlich und psychisch schwer versehrt kehrt der junge Bauer Albert Lintermann in sein Heimatdorf Wollseifen zurück. Seine Frau Bertha begegnet ihm mit Abscheu und Entsetzen. Doch Albert lässt sich nicht unterkriegen, und es gelingt ihm, seinen Platz in der Familie und der Dorfgemeinschaft wiederzufinden, nicht zuletzt, weil ihm Leni, die Verlobte seines im Krieg gefallenen Freundes, dabei hilft. Eine Zeitlang sieht es so aus, als könne das Leben wieder in geordneten Bahnen verlaufen: die Familie wächst, der Hof wird größer und trotz der zunehmenden Inflation hält der Fortschritt Einzug in Wollseifen. Bis die Nationalsozialisten in die karge ländliche Idylle einfallen und das Schicksal der kleinen Eifelgemeinde und ihrer Bewohner für immer besiegeln …“



Autorin von „Ginsterhöhe“ ist Anna-Maria-Caspari. In ihrem Roman beleuchtet sie die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und mit ihren Protagonisten Albert und Bertha stellt sie uns zwei kühle, recht unnahbare Menschen vor die Leser-Nase. Ich muss zugeben, ich hatte doch andere Erwartungen an das Buch aber, und nun mal wieder das große ABER, nach beenden des Buch war ich doch überrascht. Ja, man muss erstmal alles sacken lassen, ist die Geschichte doch üppig mit wahrer Geschichte gefüllt und wie soll denn die Zeit wohl gewesen sein? Bunt? Laut und freudig? Voller Opulenz? Nein, eben nicht. Die Menschen waren gebeutelt vom Krieg wenn sie es überhaupt wieder nach Hause schafften. Ihre Seelen waren geschunden, egal ob direkt im Krieg sein Volk und Land verteidigt oder eben zu Hause die Kinder oder das Hab und Gut gehütet - so eine Zeit geht an keinem spurlos vorbei und genau das zeigt Caspari in ihrem Buch sehr gekonnt. Das Bertha Abscheu gegen ihren Gatten zeigt ist doch nur verständlich - steht ihr doch fast ein Fremder gegenüber der nichts mehr von dem hat und zeigt den sie damals geheiratet hat. Die Ehrlichkeit schmerzt so manches Mal in diesem Buch und doch muss sie angesprochen werden. Man kann die Zeit nicht immer mit den Goldenen Zwanzigern gleichstellen, auch diese hatten vorher und danach mehr als dunkle Seiten. Albert zeigt sich auch im Dorf als Kämpfer und kämpft sich wahrlich in sein altes Leben zurück - das ist nicht nur respektabel, das ist einfach nur gewaltig stark! Da aber die Medaille immer zwei Seiten hat, zeigt sich auch hier der politische Wandel der Zeit und der braune Sumpf erhebt sich auch in der Eifel-Gegend. Erneut heißt es kämpfen und es fragt sich dann ein Jeder für was und warum! Die Geschichte an sich ist keine „schöne“ Geschichte aber sie ist verdammt ehrlich und bewegend geschrieben ohne Kitsch und Schmalz. Die Autorin spricht harte Themen an, geht dem Unangenehmen nicht aus dem Weg sondern stellt sich ihm und dennoch ist der Sprachstil und die Wortwahl ruhig. In dem Sinne passiert in diesem Buch nicht viel, es ist trotz seiner Hintergründe ruhig und oft leise. Ich habe diese Art des Schreibens bei so einem Hauptthema sehr bewundert! Man kann Nachkriegszeit bzw. Vorkriegswehen auch ruhig erzählen ohne Effekthascherei! Besonders sei noch hervorzuheben dass Caspari viel von der Landwirtschaft bzw. dem Bauern-Dasein berichtet. Es scheint wie eine andere Welt wenn sie darüber schreibt. Als Leser ist es fast wie eine Flucht dorthin wo die Uhren anders ticken, die Zeiten ohne Krieg scheinen…und doch ist er allgegenwärtig da.

Bei diesem Buch sollte man sich frei machen von allem und es einfach lesen und wirken lassen und danach mal gründlich darüber nachdenken was Caspari uns damit eigentlich erzählen wollte. Ich vergebe hierfür sehr gute 4 von 5 Sterne inkl. einer Leseempfehlung!

 

otegami

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17. Dezember 2021
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71
Offensichtlich spiegelt das Buch sehr das reale Leben! (Ich kann mich noch sehr gut dran erinnern, wie ein befreundetes Ehepaar meiner Eltern mir als Jugendliche erzählte, w i e fremd sie sich gewesen waren, als er nach der Kriegsgefangenschaft nach dem 2. Weltkrieg heimkam.) Mich interessierte das gewaltig und ich suchte nach Büchern ........ und fand jedoch keine über das Thema! Das dauerte erst eine Weile! (War damals noch zu frisch!)
 
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Kristall86

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22. März 2021
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An der Nordseeküste
Offensichtlich spiegelt das Buch sehr das reale Leben! (Ich kann mich noch sehr gut dran erinnern, wie ein befreundetes Ehepaar meiner Eltern mir als Jugendliche erzählte, w i e fremd sie sich gewesen waren, als er nach der Kriegsgefangenschaft nach dem 2. Weltkrieg heimkam.) Mich interessierte das gewaltig und ich suchte nach Büchern ........ und fand jedoch keine über das Thema! Das dauerte erst eine Weile! (War damals noch zu frisch!)
Solche Geschichten kenne ich auch. Caspari hat das hier vortrefflich erzählt, auch wenn man sich erstmal etwas reinlesen und es verstehen muss. Wer hier nach der Unterhaltung sucht, ist hier falsch. Das Dorf wird jedenfalls noch ordentlich durcheinander gewirbelt...
 
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RuLeka

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30. Januar 2018
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Ich habe das Buch eher in Richtung leichte Unterhaltung abgetan. Nach Deiner Rezension scheint es doch mehr zu sein.
Kommt nun auf meine Wunschbuchliste .
 

Kristall86

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22. März 2021
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An der Nordseeküste
Ich habe das Buch eher in Richtung leichte Unterhaltung abgetan. Nach Deiner Rezension scheint es doch mehr zu sein.
Kommt nun auf meine Wunschbuchliste .
Genau so ging es mir auch:grinning Ich war wirklich überrascht und verstehe die negativen Stimmen dazu. Wer hier auf „Love-Story“ aus ist oder einen Seifenopern-Verschnitt, der irrt. Man muss es lesen und wirken lassen. Man versteht dann die Düsternis, das ruhige Erzählen der Autorin und auch die extreme Auslegung des Bauern-Daseins (das wirkt wie eine Parallelwelt)…die Welt ist nur nicht immer offen für solche Literatur:p bzw. viele haben keine Lust auch mal darüber nachzudenken was sie lesen. Das Buch ist sehr gut, nicht ausgezeichnet (da fehlten mir die i-Tüpfelchen) aber wirklich sehr zu empfehlen! Freut mich wenn ich es Dir schmackhaft machen konnte!
 
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