Rezension (4/5*) zu Geschichte eines Kindes: Roman von Anna Kim

G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Segregation - gestern und heute

Auch dieses Buch ist keine einfache Lektüre. Aber das erwarte ich auch nicht bei Büchern, die in der Longlist des Deutschen Buchpreises zu finden sind.
Eine Journalistin stößt auf eine Lebensgeschichte und macht da-raus ein Buch. Im Juli 1953 bringt die zwanzigjährige Carol Truttman in einer Kleinstadt in Wisconsin ein Kind zur Welt und noch in derselben Nacht gibt sie das Kind zur Adoption frei. Da-niel Truttman, so heißt der Kleine, kommt in die Obhut des So-zialdienstes. Die den Jungen betreuenden Kinderschwestern äußern den Verdacht, dass der Junge nicht vollkommen weiß sei, dies erschwert die Vermittlung des Jungen in der damaligen Zeit. Eine Sozialarbeiterin soll die wahre Herkunft des Jungen re-cherchieren und übertritt bei dieser "Recherche" definitiv Gren-zen, wird später zur Schuldigen erklärt. Aber ist sie das wirklich allein? In dieser Geschichte verhalten sich viele aus unserer heu-tigen Zeit schauend eigenartig und übergriffig. Und hier spielt nur mein Blick als Leserin eine Rolle. Denn auch in unserer heu-tigen Zeit gibt es Individuen, die ähnlich schauen. Dies ist also nicht nur ein Problem der damaligen Zeit. Und genau diesen Gedanken greift die Autorin mit einem eigenen Blick in die eige-ne Vergangenheit auf. Denn diese Segregation, diese Ausgren-zung gab es zu der damaligen Zeit und auch in der heutigen Zeit gibt es diese aussondernden Gedanken und Taten. Welche ver-werflich sind! Denn auch wenn wir anders aussehen, wir sind al-le Menschen und nicht unser Aussehen, unsere Rasse, unsere Kultur, unser Glauben, unsere Sexualität macht uns besser und schlechter. Allein unser Charakter macht dies, und zwar allein dieser! Zumindest in meinen Augen. Ein europäischer Egoist und ein asiatischer Egoist sind beides Egoisten, unabhängig von anderen Dingen. Nur muss man bei dieser ganzen Thematik aufpassen, dass sie nicht in ein Zuviel abkippt. Denn diese Fra-ge, woher man kommt, muss man nicht automatisch als negativ bewerten. Denn solch eine Frage bekommen auch Menschen mit eindeutig weißem Aussehen gestellt, zum Beispiel wenn sie einen eigenartigen Dialekt sprechen. Hat auch etwas mit einer uns allen eigenen Neugier zu tun. Klar nervt diese Frage, wenn sie ständig kommt und die Betreffenden sind geneigt diese Fra-ge negativ zu bewerten und dies verstehe ich auch. Aber nicht alles gehört in dieses aussondernde und bewertende Spektrum. Aber dieses Buch macht nachdenklich und fordert auf eigenes Tun und Denken neu zu bewerten und vorsichtiger im Umgang miteinander zu sein. Denn man will ja nicht einfach so verletzen, ich kann dies von mir behaupten. Denn wenn ich das will, je-manden verletzen will, gibt es einen Grund und dieser Grund hat nichts mit Rasse, Kultur, Glauben und Sexualität zu tun, sondern bezieht sich auf charakterliche Schwierigkeiten mit der betreffenden Person.
Diese Geschichte hat Anna Kim gut geschrieben, die Thematik ist ansteckend und anzündend, wie ihr an meiner Rezension merkt. Nur der kühle und rationale Ton hat mich etwas gestört und kostet diesem wichtigen Buch den fünften Stern, obwohl die Thematik eigentlich den fünften Stern bräuchte.


 
  • Hilfreiche Rezension
Reaktionen: Die Häsin und RuLeka