Rezension (4/5*) zu Es geht uns gut: Roman von Arno Geiger

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Buchinformationen und Rezensionen zu Es geht uns gut: Roman von Arno Geiger
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Vom Loslassen.

Kurzmeinung: Ich mochte den Symbolcharakter.


Alma und Richard Sterk sind wohlhabende Österreicher und eigentlich ganz gut durch das Kriegsgeschehen des Zweiten Weltkriegs gekommen, obwohl: Opfer haben sie bringen müssen, ihr Sohn ist gefallen.

Richard ist es gelungen, sich größtenteils herauszuhalten, Nazi war er keiner, aber er hat sich auch nicht ausdrücklich dagegen positioniert. Nach Kriegsende wird er mit einem Ministerposten belohnt. Richard, sagen wir es frei heraus, ist ein Feigling. Wie es halt viele Menschen sind, die keine Stellung beziehen und nur ihr eigenes Wohl im Auge haben. Richard ist weder ein guter Vater noch ein guter Ehemann noch ein guter Politiker. Er laviert und versucht, in allen Bereichen möglichst leidenschaftslos durchs Leben zu kommen und nirgendwo anzuecken. Am Ende seines Lebenswegs ist er desillusioniert. Aber Alma kommt mit ihm zurecht, auch als er dement wird. Denn Alma hat ein inneres Leben. Was Alma tröstet, ist das Haus. Aber das Haus ist auch eine Bindung und eine Belastung. Ihr ist es nicht vergönnt, etwas an den Verhältnissen zu ändern. Das ist Aufgabe der nächsten Generationen.

Das Haus spielt die eigentlich tragende Rolle. Es ist das Herz der Familie Sterk. Dort sind Otto und Ingrid aufgewachsen. Und jetzt gehört es dem Enkel Phillip. Das Haus verkörpert die Familiengeschichte mit all ihrem Dreck, dem Unausgesprochenen, den Seitensprüngen und verborgenen Geschäften, dem Generationenkonflikt zwischen Vater und Tochter, den faulen Kompromissen, etc. Der Taubendreck im Dachgeschoß könnte ein Symbol dafür sein. Es hat sich einiges angesammelt.

Will Phillip ein unbelastetes Leben führen, muss er sich lösen. Das spürt er, ohne es in Worte fassen zu können.

Der Kommentar:
Neben einfühlsamer Figurenzeichnung zeichnet sich der Roman durch den Symbolcharakter des vom Taubendreck verunreinigten Hauses aus; der Säuberungsprozeß dauert Wochen. Der Leser spürt dabei jedoch einige der berühmten Längen. Dass Philipp Hilfe von außen bekommt, ist indirekt ein therapeutischer Ansatz. Wenngleich die Therapeuten russische Schwarzarbeiter sind, die kommentarlos anpacken, was Philipp sich nicht vom Hals zu schaffen traut. Sie können sogar mit dem ganzen alten Krempel, den Phillip loswerden möchte, noch etwas anfangen. Gut so. Dann war nicht alles sinnlos.

Fazit: Ballast muss man loswerden. Ein leicht melancholischer Roman, der aufzeigt, dass es manchmal an der Zeit sein könnte, Abschied zu nehmen, auch wenn dieser Abschied schwer fällt. Loslassen ist eine der wichtigsten Aufgaben im Leben.

Kategorie: Belletristik.
erster Preisträger des Deutscher Buchpreises 2005
Verlag: dtv

 

Literaturhexle

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Teammitglied
2. April 2017
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dass es manchmal an der Zeit sein könnte, Abschied zu nehmen, auch wenn dieser Abschied schwer fällt. Loslassen ist eine der wichtigsten Aufgaben im Leben.
Ich glaube, das Buch muss ich mal lesen. Danke für diese wirklich gelungene Darstellung!
Ich las von Geiger bislang nur "Alles über Sally" - eine Ehegeschichte, die mich nicht überzeugte und zahlreiche Längen aufwies.