Rezension (4/5*) zu Equilon von Sarah Raich

kingofmusic

Bekanntes Mitglied
30. Oktober 2018
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KI-Dystopie mit Nostalgiesoundtrack

„Wie nah wir Menschen uns sein können. Und wie fern. Und manchmal beides. Zur gleichen Zeit. Wie verloren wir sind. Zwischen den Zeilen eines Songs. Im letzten Moment aufgefangen, von ein paar Tönen.“ (S. 222)

Die in München lebende Autorin Sarah Raich legt mit „Equilon“ (erschienen 2023 im dtv) bereits ihr zweites Jugendbuch vor. Auch wenn sich hier junge und junggebliebene Erwachsene selbstverständlich auch angesprochen fühlen dürfen *g*. Wer darüber hinaus noch ein Faible für (mehr oder weniger) gute Musik hat, dem dürfte die zum und im Buch zusammengestellte Playlist gefallen (zumindest in Teilen – Musik ist wie Literatur immer eine Frage des persönlichen Geschmacks *Klugscheißermodus aus*).

So, Butter bei die Fische:
Jenna gehört seit Kurzem zur „digitalen Elite“ und darf von Old B. ins New Valley (ein Schelm wer hier direkt an das Silicon Valley denkt *g*) einziehen, um dort an „Equilon“, einem Algorithmus, der die durch Umweltzerstörung kaputte Welt und seine Bewohner in Privilegierte (die „Eine Milliarde“) und Unterprivilegierte (Grenzländer) einteilt und so die Kluft zwischen Oben und Unten eher vergrößert denn verkleinert, zu arbeiten.

Doch das weiß die naive Jenna (noch) nicht, als sie im New Valley landet und dort eine „brave new world“ betritt und sich in Cory, einen der „Young Goods“ und Chef von EQUILON verliebt…

In Old LA will sich Dorian derweil eigentlich das Leben nehmen, wird aber in letzter Sekunde von der herzensguten Maggie davon abgehalten. Nach einigen dramatischen Begebenheiten begeben die zwei sich auf eine gefährliche Reise ins New Valley…

Hier kommt es dann (natürlich) zum Showdown und zum Aufeinandertreffen von Jenna und Dorian.
Was dazwischen passiert, will ich hier gar nicht groß ausführen – lesen sollt ihr schließlich selbst :).

Das Ganze lässt sich flüssig und zumeist locker lesen. Wen die vielen english words im Text nicht stören und vielleicht sogar weiß, was sich hinter dem ein oder anderen Wort verbirgt ohne ein Dictionary oder einen Übersetzer zu konsultieren, wird noch mehr Freude an der Lektüre haben; auf Dauer fand ich es etwas anstrengend. Da merke ich dann, dass ich nicht zu der Generation gehöre, die mit den vielen heute für junge Menschen selbstverständlichen (technischen) Dingen aufgewachsen ist ha ha ha.

Einige Aktionen der Hauptfiguren oder das Ende kamen mir persönlich etwas zu überhastet, naiv und „es läuft zu glatt“ vor – das wird aber jede:r anders empfinden. Da ich nicht zu 100% überzeugt von „Equilon“ bin, gebe ich 3,5* bzw. 4* - letzteres deshalb, weil die Autorin wirklich einige schöne Poetry Slam-Passagen in ihren Roman eingebaut hat und weil sie mich an einer Stelle lauthals zum Lachen gebracht hat:

„Irgendwann hat man herausgefunden, dass Menschen, die die Musik der Beatles instinktiv ablehnen, einen, nun sagen wir, tendenziell widerspenstigeren Charakter haben, dass sie abwartender und kritischer sind als jene, die die Beatles gut finden. Beatles-Hasser fügen sich im Mittel schlechter ein und hinterfragen mehr.“ (S. 191)

Auch wenn die Autorin gerne Jugendbücher schreibt, würde ich persönlich mich freuen, wenn sie mal wieder einen poetisch-lyrischen Kurzgeschichtenband für Erwachsene schreibt; wie vor ein paar Jahren mit dem Kurzgeschichtenband „Dieses makellose Blau“, über das ich überhaupt erst auf die Autorin aufmerksam wurde.

Wie gesagt: 3,5* (4*) und eine Leseempfehlung für alle Dystopie-Leser:innen.

©kingofmusic


 
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