Neil, gescheiterter Schauspieler, Vater und Ehemann, besucht an der Abenduni eine Vorlesung zur Kultur und Zivilisation und ist fasziniert von der stoischen und anspruchsvollen Professorin Elizabeth Finch. Er hat zwar Affären und Liebeleien, doch prägt das Ringen um ihre Anerkennung sein Leben. Auch nach Beendigung des Studiums bleiben die beiden in Kontakt. Als sie stirbt, erbt Neil ihre Bibliothek und Aufzeichnungen - und stürzt sich in ein Studium Julian Apostatas, der für Elizabeth Finch ein Schlüssel zur Bedeutung von Geschichte an sich war: Der römische Kaiser wollte im 4. Jahrhundert das Christentum rückgängig machen. Wer war Julian Apostata? Und was wäre passiert, wenn er nicht so jung gestorben wäre? Der Schlüssel zur Gegenwart liegt nicht selten in der Verhangenheit, das zeigt dieser kenntnisreiche Roman auf unnachahmliche Weise.
Das Buch ist eine intelligente Hommage an die Philosophie, ein Ausflug in die Geschichte, eine Einladung, selbst zu denken. Kaufen
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Für den Erzähler in Julian Barnes neuem Roman ist die Dozentin Elizabeth Finch, deren Name liebvoll-ehrfürchtig zu EF abgekürzt wird, etwas ganz Besonderes. Im Rahmen eines Seminars für Erwachsenenbildung verfällt er – ohne sich das so recht einzugestehen – der Klugheit, Intelligenz und dem Esprit dieser außergewöhnlichen Lehrkraft, die viele überkommene Normen und Werte infrage zu stellen vermag und ihre Studenten aus ihrer Komfortzone führt. Besonders der römische Kaiser Julian Apostata hat es ihr angetan, seine Ablehnung des Christentums inspiriert sie zu Gedankenspielen, wie unsere Welt heute aussehen könnte, wenn sich das Christentum nicht durchgesetzt hätte. Der Erzähler und EF bleiben zeit ihres Lebens miteinander verbunden, auch nach ihrem Tod kann er sich von seiner Faszination für sie nicht lösen und versucht sowohl mehr Erkenntnisse über sie als auch über den von ihr verehrten Kaiser zu gewinnen.
Julian Barnes ist wieder ein sprachlich äußerst eleganter und schöner Roman gelungen, der besonders durch die eingängigen und spannenden Ideen, die Elizabeth Finch in den Mund gelegt werden, gewinnt. Ihr Blick auf die Welt ist eigen und speziell, ihr Wirken für den Erzähler und einige seiner Kommilitonen bereichernd und unvergesslich und auch der Leser kann sich der Zugkraft ihrer Denkanstöße kaum entziehen. Der Reiz, den Elizabeth auf den Erzähler ausübt ist, also durchaus nachvollziehbar. Unter der Eleganz der Sprache, der Feinheit des Stils und dem Bann der Weisheit der Gedanken lauert aber ein für einen Roman fast unüberwindbares Problem: das der Handlungsarmut. Denn bei aller Fulminanz und Intelligenz auf der Diskurs-Ebene muss man doch feststellen, dass es um die Story-Ebene eher dünn bestellt ist. Die unzähligen Ausführungen der Elizabeth Finch, ihre Notizen über Julian Apostata und die sich anbietenden Parallelen zwischen ihnen, tragen den Roman nur bedingt. Zu stark liegt der Fokus auf philosophischen Betrachtungen, es passiert einfach viel zu wenig. Die stets platonische Begeisterung des Erzählers für EF ist so raumgreifend, dass es fast den Anschein hat, dass in seinem Leben für nichts anderes mehr Platz ist. Hinzu kommt am Ende des Romans noch ein Erzähltempo-Problem, der Handlungsverlauf wirkt auf den letzten Seiten überhastet und disharmonisch.
„Elizabeth Finch“ hat mich zu Beginn umgehauen und begeistert, doch die sehr anspruchsvollen intellektuellen Höhenflüge, so tiefgründig und exquisit sie auch sein mögen, reichen mir als Handlungskonstrukt nicht für einen Roman, der Essay wäre hier wohl eher die Form der Wahl gewesen. Ich kann mich dennoch für den Text erwärmen, einfach weil er mich klüger gemacht hat und über Aspekte nachdenken ließ, mit denen ich mich so noch nicht auseinandergesetzt habe. Empfehlen würde ich diesen Roman von Julian Barnes dennoch nicht – er hat einfach viel bessere geschrieben.
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