Rezension Rezension (4/5*) zu Eines Menschen Flügel: Roman von Andreas Eschbach.

Emswashed

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9. Mai 2020
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Buchinformationen und Rezensionen zu Eines Menschen Flügel: Roman von Andreas Eschbach
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Flieg nicht so hoch, mein kleiner Freund...

Mit "Eines Menschen Flügel" entführt uns der Autor in ein phantastisches Habitat von geflügelten Menschen, die in ihrer wolkenverhangenen Welt auf gewaltigen Nestbäumen leben. Ihre Namen verraten die Stammeszugehörigkeit, ihr Zusammenleben wird von Regelbüchern ihrer Ahnen bestimmt. Das schlichte Leben im Einklang mit der Natur wird durch überlieferte Geschichten und den Räten untermauert.
Es könnte das Paradies sein, wäre da nicht das Böse, das am Boden lauert und alles verschlingt, was sich ihm unachtsam auf die Füße stellt. Es ist der Margor, welcher unsichtbar die Weiten der Welt beherrscht, nur wenige Zonen den Geflügelten und den Hiibus (vermutlich unseren Kühen nicht unähnlich) überlässt und ansonsten alles und jeden auf die Bäume zwingt und Fortbewegung nur im Luftraum zulässt.
Die Ahnen, einst aus dem Weltraum auf der Suche nach bewohnbaren Planeten hier gelandet, gaben deswegen ihren Nachkommen die Flügel des Pfeilfalken (das Wort Genmanipulation mutet Eschbach dem wahrscheinlich jungen Lesepublikum nicht zu), außerdem etwas Tiefkühlkost und ein paar letzte Anweisungen, wie sich das Leben künftig gestalten sollte, damit nicht "Schlimmes" passiert.
Wie es aber nach tausend Jahren manchmal so ist, versteht man nicht mehr jeden Sinn und Zweck von alten Schriften und vor allem Vorschriften und so ist es nicht verwunderlich, dass Owen die Höhen bezwingt, die Wolkendecke durchstößt, um einen Blick auf die Sterne zu erhaschen, der wohlweislich für die Menschheit verborgen bleiben sollte. Damit nimmt das Unglück seinen Lauf!

Die Mischung aus Avatar (der harmonische Teil, der sich über mehrere hundert Seiten zieht), Wüstenplanet und Star Wars (aber erst zum Schluss) hat mir größtes Durchhaltevermögen abverlangt. Der Abbruch nach 400 Seiten schien besiegelt, aber dank Lockdown, einer verbindlichen Leseliste und einem ziemlich fiesen Cliffhänger im Buch, hielt ich durch. Ich war neugierig, welche Partei auf diesem, dank Karte im Vorsatz, doch überschaulichen Planeten nun Recht behält. Waren es nun diese Nestlosen, die etwas wissen, was die Nestbewohner nicht beunruhigen soll, waren es diese "Priester", die mit erstaunlich viel, weil verbotenen, Technik frauenlos in ihrem Vulkan hocken und sich böse Anschläge gegen Erfindungen aushecken, oder doch die verschrobenen und äußerst abergläubischen Eisenländer. Und was, verdammt nochmal, hat es mit diesem ominösen Margor auf sich? Oris, Sohn des Owen (des legendären Sternenguckers) aber ist es, der etwas aufdeckt, was lieber im Verborgenen geblieben wäre.

Doch, Spannung war durchaus dabei, zwischen all den Beziehungsdramen und Federkleidvergleichen. Geheimnissen kommt man aber erst nach zähem Ringen mit endlosen Seiten, auf denen gefühlt jeder Bewohner von Pandora, ähm Erde?, ach unwichtig, seine eigene Geschichte bekommt, was sich manchmal aber im Nachhinein schon als wichtiges Rädchen im Gesamtuhrwerk outet. Im Prinzip werden alle Fragen geklärt, manchmal aber an Stellen im Text, die man doch überlesen möchte und kurz bevor die Aufmerksamkeit nachlässt, zack, kriegt man wieder einen Brosamen hingeworfen.

Die Frage bleibt, wieviel Vertrauen Eschbach in seine Leser hat, dieses epische Werk durchzuhalten und die durchaus interessanten Gedankenansätze darin zu filtern?

In mir aber reift die Erkenntnis, dass Leselisten (jaja, meinetwegen auch der Lockdown) durchaus Sinn machen, damit solche Schriften auch vollständig und mit dem gebührenden Respekt gelesen werden und nicht untergehen in Zeiten der Kurznachrichten und Schlagzeileninfos.

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