Rezension (4/5*) zu Eine Liebe (Quartbuch) von Sara Mesa

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29. März 2022
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Mainz
Besser eine Liebe als keine?

"EIne Liebe" ist der zweite Roman aus der Feder der spanischen Autorin Sara Mesa, den ich las. Von dem Vorgängerroman "Quasi" war ich recht angetan. In beiden Geschichten stehen Protagonisten im Mittelpunkt, die etwas verschroben sind und ihren Platz in der Welt nicht gefunden haben.

In dem Roman "Eine Liebe" geht es um Nat. Im ersten Teil lernen wir sie und ihr neues Umfeld zunächst kennen. Sie ist eine Aussteigerin, die für sich beschlossen hat auf La Escapa einen Neuanfang zu starten. Um an einer Übersetzung zu arbeiten, hat sie sich dort ein Haus gemietet. Nun ja, wenn die Bleibe diese Bezeichnung verdient. Der Vermieter hat sie nämlich übers Auge gehauen und ihr ein verfallenes Objekt angedreht, um dessen Instandhaltung er sich ebenso wenig kümmert wie um seine Tiere. Warum sie sich darauf eingelassen hat, bleibt ein Rätsel. Auch sonst erfährt der interessierte Leser wenig über Hintergründe und Motive der Hauptprotagonistin.

Im Dorf sorgt der Zuzug der alleinstehenden jungen Frau für Neugier. Schon bald sieht Nat sich umringt vom Althippie Piter, der ihr mit allerlei Ratschlägen zur Seite steht, aber auch einem Ladenmädchen und einem alten Ehepaar. Nat versucht sich im neuen Heim, einzurichten. Doch das Dach ist undicht und es regnet herein. Da unterbreitet der Deutsche ihr ein unmoralisches Tauschangebot. Der erste Abschnitt endet mit einem Paukenschlag.

Während Nat zunächst ablehnend reagiert, leitet der zweite Abschnitt eine Wende ein, denn Nat überlegt es sich anders. Erst betrachtet sie diese Entscheidung als pragmatischen Schritt mit Einmaligkeitswert. Doch schnell entwickelt sich eine Eigendynamik. Nat verfällt dem Deutschen namens Andreas zunehmend. Die Liebelei wird zur Obsession. Nat wittert um sich herum Konkurrentinnen, die ihr Andreas abspenstig machen wollen und wird immer schrullliger in ihrer Besessenheit. Dies alles entgeht der Dorfgemeinschaft natürlich nicht.

Eine neue Wendung nimmt Nats Geschichte dann im dritten Teil. Wieder steht ein Neubeginn zuvor. Er kommt zugegeben etwas überraschend....

Insgesamt habe ich Nats Geschichte als Psychgramm einer einsamen, verschrobenen Person, die ihren Platz in der Welt noch nicht gefunden hat und sich nach Liebe sehnt, gerne gelesen. Die Autorin präsentiert uns Nats Geschichte aus einer reinen Innensicht heraus. Dies hat zur Folge, das rund um Nat viele Fragen offen bleiben. Wer antworten sucht, der wird hier möglicherweise eine hohe Frustrationstoleranz mitbringen müssen. Zumal die Protagonistin auch etwas anstregend daherkommt und den Leser unter Umständen über die Maßen nerven und auf die Palme bringen kann. Das war auch bei mir mitunter der Fall. Dennoch fand ich es ansprechend, wie die Autorin in einer kraftvollen Sprache vom Liebesgeheimnis der Protagonistin erzählt: einer Liebe, die so wenig als Liebe erscheint, aber am Ende vielleicht doch eine ist. Wohlgemerkt EINE, nicht DIE Liebe schlechthin, was möglicherweise auch deren Austauschbarkeit beinhaltet. Die Stärke des Romans liegt meines Erachtens darin, zum einen die Eigenart der Dorfgemeinde gut eingefangen und zum anderen einen tiefen Einblick in die instabile Gefühlswelt eines ambivalenten Charakters geleistet zu haben. Als solchen kann ich den Roman wärmstens empfehlen. Allerdings sollte man mit Leerstellen leben können, denn als Leser erfahren wir nur das, was Nats Perspektive an Informationen hergibt.



 

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