Rezension (4/5*) zu Ein anderes Land: Roman von James Baldwin

Anjuta

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8. Januar 2016
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Buchinformationen und Rezensionen zu Ein anderes Land: Roman von James Baldwin
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This land is my land, this land is your land (?)

In “Ein anderes Land” demaskiert James Baldwin den Mythos der USA, ein Land für alle zu sein, wie es in dem bekannten Song „This land is my land“ so melodisch besungen wird.
„My Land“ ist es wohl nur für eine bestimmte Gruppe – die Weißen. Denn für die Anderen - die Farbigen - , die auch so existentiell dazugehören, steht doch immer eine ganz andere Wirklichkeit vor ihren Augen.
Diesen Spannungsbogen der unterschiedlichen Wahrnehmungen und Befindlichkeiten spannt Baldwin in seinem Roman, der 1962 erschien und nun von dtv wieder neu herausgebracht wurde.
Die ständige Präsenz der unterschiedlichen Realitäten in Wahrnehmung und Lebensrealität beschreibt Baldwin darin ausgehend von dem Schicksal des schwarzen Jazzers Rufus, dessen Leben aus dem Takt gerät und der daran zerbricht und sich das Leben nimmt. Der Leser bekommt während des langen, weiteren Verlaufs des Romans dann allerdings nie direkt eine Antwort auf die Frage, was Rufus in den letzten Wochen seines kurzen Lebens so heruntergerissen hat. Eher indirekt und mittelbar versucht der Autor eine Antwort zu geben, indem er den Lesern die Beziehungsgeschichten einer Gruppe von Freunden des toten Rufus erzählt. Beziehungsgeschichten, in denen die Frage der Hautfarbe und des darauf basierenden bzw. daran krankenden Maßes an Respekt eine ständige Barriere und Hürde für ein Aufeinander-Einlassen und Miteinander-Lebens bildet. Und diese Hürde vermag niemand so recht zu überwinden. Schuld, Scham und Misstrauen spielen in diesen Beziehungen neben Liebe, Anziehung und Zuneigung deshalb eine immerwährende und nicht zu unterschätzende Rolle. Das wirkt manchmal etwas übermäßig angestrengt und verkompliziert, ist aber in der Gesamtschau dann doch glaubwürdig als prägendes Charakteristikum einer Gesellschaft, die nicht unbeeindruckt und ohne Zweifel in „my land“ leben kann.
Für mich als weiße Leserin ist dieses ständige Nagen angesichts der hautfarbenbedingt eigenen Wertigkeit und Würde nicht ganz nachvollziehbar. Gnade der weißen Geburt, würde ich das aber nennen. Umso wichtiger ist und war wahrscheinlich dieses Buch für die amerikanische Gesellschaft, das deshalb auch zum Klassiker geworden ist.
Eine tolle und wichtige, wenn auch nicht immer ganz einfache Lektüre, die 4 dicke Sterne verdient hat.


 
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