Eine Familie besteht doch nur aus Einzelteilen
In „Dschinns“ erzählt Fatma Aydemir, die Geschichte einer Familie, in dem sie diese in Einzelteile zerlegt und so deutlich macht, dass man zwar zusammengehört, aber doch letztlich immer alleine ist. In sechs Kapiteln werden die individuellen Träume, Wünsche, Verletzungen, Geheimnisse und Traumata aufgedeckt, das Schweigen und die Versäumnisse thematisiert, die Erwartungen und die Ablösung von diesen enthüllt. Der Roman erzählt dabei gar nicht mal so eine besonders außergewöhnliche Story, sondern zeichnet eher das Zusammen- und Auseinanderleben einer vermutlich recht normalen Familie mit Migrationshintergrund ab, die stets versucht, sich anzupassen, ohne dabei die eigene Herkunft völlig hinter sich zu lassen, wobei in diesem Fall das Thema der Herkunft, der Identität schon ein besonders belastet ist. Auch wenn die Vergangenheit wie ein Schleier über allem lastet, gelingt es der Autorin mit sehr leichter Hand und ausgezeichnetem Sprachgefühl einen berührenden und besonderen Text auf die Seiten zu bannen. Teilweise bekommt der Sprachstil fast lyrische Qualitäten, insbesondere im Kapitel der Tochter Perihan, sowie im Eingangs- und Schlusskapitel ist dies der Fall. Strukturell bietet der Roman aufgrund seines Sprachtons am Anfang und Schluss und der Aufteilung der Geschichte viele Ansatzpunkte für weiterführende, spannende Interpretationen – eine wesentliche Qualität dieses Romans, der auch in seiner Figurenkonzeption weitestgehend überzeugen kann. Die Figuren sind beeindruckend authentisch gezeichnet, auch hier stechen die starken Frauenfiguren Sevda und Perihan hervor, die sich sehr bewusst von ihrer Elterngeneration abzugrenzen versuchen. In allen oben genannten Aspekten ist der Roman eine großartige Entdeckung, ein bereicherndes Leseerlebnis mit Anspruch und Gehalt, das auf allen Ebenen zu überzeugen vermag - wäre da nicht das Hakan-Kapitel, das wohl mit Stereotypen und Vorurteilen spielen soll, der Gesellschaft einen Spiegel in Bezug auf Identitätskonstruktionen einen Spiegel vorhalten soll und dann so unglaublich ungelenk in die Klischeefalle tappt. Wenn es sich nicht zwischen denselben Buchdeckeln befunden hätte, hätte ich kaum glauben können, dass es Teil des Romans ist – so krass ist der Absturz in Aussage, Sinnhaftigkeit, Figurenkonzeption und Souveränität des Erzählens. Plötzlich findet man sich mit vulgärer Ausdrucksweise und schablonenhaftem Denken konfrontiert, neben allzu platter Polizeikritik findet man sich schon fast mit einer Karikatur des türkischen Halbstarken konfrontiert. Darüber ist das Kapitel auch inhaltlich wenig ergiebig und eher langweilig. Sehr schade, denn alles, was berauschend, raffiniert und elegant in den anderen Kapiteln erzählt wird, wird hier konterkariert.
Insgesamt ist der Roman dennoch eine große, spannende und sehr eindrucksvolle Leseempfehlung.
In „Dschinns“ erzählt Fatma Aydemir, die Geschichte einer Familie, in dem sie diese in Einzelteile zerlegt und so deutlich macht, dass man zwar zusammengehört, aber doch letztlich immer alleine ist. In sechs Kapiteln werden die individuellen Träume, Wünsche, Verletzungen, Geheimnisse und Traumata aufgedeckt, das Schweigen und die Versäumnisse thematisiert, die Erwartungen und die Ablösung von diesen enthüllt. Der Roman erzählt dabei gar nicht mal so eine besonders außergewöhnliche Story, sondern zeichnet eher das Zusammen- und Auseinanderleben einer vermutlich recht normalen Familie mit Migrationshintergrund ab, die stets versucht, sich anzupassen, ohne dabei die eigene Herkunft völlig hinter sich zu lassen, wobei in diesem Fall das Thema der Herkunft, der Identität schon ein besonders belastet ist. Auch wenn die Vergangenheit wie ein Schleier über allem lastet, gelingt es der Autorin mit sehr leichter Hand und ausgezeichnetem Sprachgefühl einen berührenden und besonderen Text auf die Seiten zu bannen. Teilweise bekommt der Sprachstil fast lyrische Qualitäten, insbesondere im Kapitel der Tochter Perihan, sowie im Eingangs- und Schlusskapitel ist dies der Fall. Strukturell bietet der Roman aufgrund seines Sprachtons am Anfang und Schluss und der Aufteilung der Geschichte viele Ansatzpunkte für weiterführende, spannende Interpretationen – eine wesentliche Qualität dieses Romans, der auch in seiner Figurenkonzeption weitestgehend überzeugen kann. Die Figuren sind beeindruckend authentisch gezeichnet, auch hier stechen die starken Frauenfiguren Sevda und Perihan hervor, die sich sehr bewusst von ihrer Elterngeneration abzugrenzen versuchen. In allen oben genannten Aspekten ist der Roman eine großartige Entdeckung, ein bereicherndes Leseerlebnis mit Anspruch und Gehalt, das auf allen Ebenen zu überzeugen vermag - wäre da nicht das Hakan-Kapitel, das wohl mit Stereotypen und Vorurteilen spielen soll, der Gesellschaft einen Spiegel in Bezug auf Identitätskonstruktionen einen Spiegel vorhalten soll und dann so unglaublich ungelenk in die Klischeefalle tappt. Wenn es sich nicht zwischen denselben Buchdeckeln befunden hätte, hätte ich kaum glauben können, dass es Teil des Romans ist – so krass ist der Absturz in Aussage, Sinnhaftigkeit, Figurenkonzeption und Souveränität des Erzählens. Plötzlich findet man sich mit vulgärer Ausdrucksweise und schablonenhaftem Denken konfrontiert, neben allzu platter Polizeikritik findet man sich schon fast mit einer Karikatur des türkischen Halbstarken konfrontiert. Darüber ist das Kapitel auch inhaltlich wenig ergiebig und eher langweilig. Sehr schade, denn alles, was berauschend, raffiniert und elegant in den anderen Kapiteln erzählt wird, wird hier konterkariert.
Insgesamt ist der Roman dennoch eine große, spannende und sehr eindrucksvolle Leseempfehlung.