Rezension Rezension (4/5*) zu Die Witwe: Ein liebender Ehemann oder ein kaltblütiger Mörder ... Was weiß sie.

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Buchinformationen und Rezensionen zu Die Witwe von Fiona Barton
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Geheimnisse einer Ehe...

Die kleine Bella Elliott ist verschwunden - mit ihren gerade einmal zwei Jahren spurlos aus dem Garten vor ihrem Haus. Die Mutter Dawn ist verzweifelt, nur kurz hat sie ihre Tochter unbeaufsichtigt gelassen. Aber sie glaubt fest daran, dass Bella noch lebt. Doch wer hat das kleine Mädchen entführt? Und weshalb?

Glen Taylor gerät in den Fokus der Ermittlungen. Er lebt alleine mit seiner Frau in einem kleinen Häuschen und arbeitet für ein Lieferunternehmen. Für seine Frau Jean steht fest, dass es sich hier nur um einen riesigen Irrtum handeln kann, zumal Glen stets beteuert, dass sich alles aufklären wird. Doch die Polizei findet immer mehr Indizien und nimmt Glen schließlich fest.

Bob Sparkes ist der ermittelnde Kommissar, und trotz all seiner Berufserfahrung geht ihm der Fall nahe. Er setzt alles daran, den Fall zu lösen und Bella zu finden - lebendig oder tot. Dafür arbeitet er sogar mit der Journalistin Kate Waters zusammen, die alles daran setzt, gute Schlagzeilen für ihre Zeitung zu bekommen. Doch vor Gericht muss Sparkes eine bittere Niederlage einstecken - Glen Taylor wird freigesprochen und bekommt dazu noch eine finanzielle Entschädigung.

Kurze Zeit später ist Glen Taylor tot und Jean Witwe. Die Frau, die während der Ehe stets ein graues Mäuschen war und sich der Dominanz ihres Mannes gebeugt hat, gerät nun in den Fokus des Interesses der Polizei wie der Presse. Was weiß die Witwe?


Ich erzähle ihr, wie es mir damals ging: dass ich zu schockiert war, um zu sprechen, und noch eine Stunde, nachdem die Polizei wieder weg war, starr wie eine Statue mitten in der Diele stand. - "Hatten Sie je Zweiefel an ihm? Kam Ihnen je der Gedanke, er könnte darin verwickelt sein, Jean?" - Ich schlucke einen Mundvoll Kaffee hinunter und schüttle den Kopf. Auf diese Frage habe ich gewartet - das hat mich die Polizei wieder und wieder gefragt (...) "Wie hätte ich je glauben können, er wäre in so etwas Schreckliches verwickelt gewesen?", sagte ich. "Er liebte Kinder. Wir beide liebten Kinder." (S. 337 f.)


Fiona Barton präsentiert hier keinen reißerischen Thriller, sondern psychologische Spannung mit vielen Wendungen. Über vier Jahre spannt sich der Bogen der Erzählung, vier Jahre Suche nach der kleinen Bella, vier Jahre Ermittlungen, vier Jahre Eheleben, vier Jahre Sensationsjournalismus. Durch wechselnde Perspektiven und Zeitsprünge gewährt die Autorin Einblicke in die Gedankenwelt vieler in den Fall involvierter Personen - Jean als Ehefrau des Verdächtigen steht dabei neben ihrem Mann im Fokus des Geschehens.

Der Versuch, die Ehe trotz allem aufrecht zu erhalten, kostet Jean alle Kraft, und hätte sie ihre Pillen nicht, ihre kleinen bunten Helfer, würde sie unter dem ständigen Druck vermutlich zusammenbrechen. Die Polizei, die nicht locker lässt, auch nicht nach dem Freispruch vor Gericht, die Journalisten, die seit Jahren immer wieder vor ihrem Haus stehen und versuchen, ihr oder ihrem Mann etwas zu entlocken oder zumindest einen Schnappschuss zu ergattern, die zahllosen Anfeindungen der Öffentlichkeit - und Glen, der Jean immer fremder wird. Doch was weiß Jean überhaupt?

Bei diesem Roman - das Buch wird auf dem Cover nicht als Thriller benannt - gibt es viele Momente, wo einem beim Lesen übel werden kann. Die Verzweiflung der Mutter, die jahrelang um ihr verschwundenes Kind bangt. Die Enge des Ehelebes und die zunehmende Isolierung von Glen und Jean Taylor, die sich irgendwann nichts mehr zu sagen haben. Die Vorstellung, was mit der kleinen Bella passiert sein könnte. Die Sisyphusarbeit der Polizei, die mühselig und über Jahre hinweg versuchet, kleinste Puzzleteile zu finden und anschließend zu einem Bild zusammenzulegen, doch das entscheidende Teil einfach nicht finden kann. Und die Arbeit einer Journalistin, bedrängend, verführend, schmeichelnd, versprechend - und dann alles vom Tisch wischend, nur um eine gute Schlagzeile zu erhalten. Fiona Barton, die selbst lange bei der 'Daily Mail' sowie bei der 'Mail on Sunday' gearbeitet hat, schildert gerade diese Seite sehr eindrücklich und authentisch, und manchesmal ekelte es mich richtig an.

Für mich lebte der Roman von der psychologischen Spannung und der Frage hinter allem: was ist wirklich geschehen? Die Neugierde auf den Ausgang der Geschichte trieb mich immer weiter durch die Seiten, und das Ende fand ich schließlich überraschend aber passend.

Insgesamt für mich ein gelungenes Debüt mit kleinen Schwächen, das ich gerne gelesen habe.


© Parden

 

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