Rezension Rezension (4/5*) zu Die Unwahrscheinlichkeit von Liebe von A. J. Betts.

Querleserin

Bekanntes Mitglied
30. Dezember 2015
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49
50
Wadern
querleserin.blogspot.com
Ein sensibler Roman über zwei krebskranke Jugendliche

Vorne weg
Natürlich denkt man, wenn man den Klappentext gelesen hat, sofort an den Roman "Das Schicksal ist ein mieser Verräter", in dem sich auch zwei Jugendliche, die an Krebs erkrankt sind, kennen und lieben lernen. Abgesehen von dieser Konstellation unterscheiden sich die beiden Romane aber erheblich voneinander, was sicherlich auch damit zusammenhängt, dass die Autorin selbst in einem Krankenhaus unterrichtet und das Schicksal der Jugendlichen hautnah miterlebt. So liegt der Fokus des Romans zunächst auch auf dem Krankenhausaufenthalt, der sehr realitätsnah geschildert wird.

Inhalt
Der 17-jährige Zac liegt nach einer Knochenmarktransplantation in einem isolierten Zimmer der Onkologie eines Krankenhauses in Perth (Australien). Lediglich seine Mutter darf zu ihm und kümmert sich rührend (für ihn teilweise nervend) um ihn. Zac nimmt sein Schicksal, an Leukämie erkrankt zu sein, an und geht sehr offensiv damit um. Alle seine Freunde hält er über Facebook auf dem Laufenden und er kennt jede erdenkliche Statistik, die mit seiner Erkrankung und Krebs generell zu tun hat. So hat er stets die Wahrscheinlichkeit des Überlebens parat.
Im Nebenzimmer, Kopf an Kopf sozusagen, zieht Mia ein, die einen Tumor am Unterschenkelknochen hat und ihrer Wut über die Ungerechtigkeit der Krankheit freien Lauf lässt und ihren Freunden eine Lügengeschichte über ihren Aufenthaltsort auftischt.
Nach einer sehr lauten Musikattacke nimmt Zac über Klopfzeichen Kontakt mit Mia auf. Doch der Start ihrer Freundschaft ist holprig, über missverstandene Zettel, eine etwas verunglückte Facebook-Kommunikation und dann wird Mia nach der Chemo entlassen. Mit ihrer ehrlichen Art fehlt sie Zac, der aufgrund einer Erkältung noch länger in Isolation verbringt - ohne seine Mutter. Dann kehrt Mia zurück und wird operiert - mit für sie unerträglichen Folgen, für die sie ihre Mutter verantwortlich macht. Viel mehr will ich an der Stelle nicht verraten!
Die Wut, der Schmerz und die Ungerechtigkeit, die sie empfindet, und die Unfähigkeit, sich selbst annehmen zu können, führen sie schließlich zur Olivenfarm von Zacs Familie. Die grundverschiedenen Teenager nähern sich in dieser für Mia ungewohnten Umgebung an und schließlich gelingt es ihnen, sich für kurze Zeit gegenseitig Halt zu geben.
Der Roman wird jeweils aus der Ich-Perspektive von Zac und Mia erzählt, wobei zunächst Zacs Sicht und im weiteren Verlauf der Handlung Mias Perspektive im Vordergrund stehen. Das Schlusswort hat Zac und der Epilog spannt einen gelungenen Bogen zum Beginn der Geschichte.

Bewertung
Obwohl die Thematik eine ähnliche ist, ist das ein völlig anderer Roman als "Das Schicksal ist ein mieser Verräter", der wesentlich emotionaler erzählt, die Figuren ganz dicht an die Leser/innen heranrücken lässt und der mit der Suche nach dem Autor Peter Van Houten in Amsterdam neben der "Liebesgeschichte" noch einen weiteren Handlungsstrang hat.

Der vorliegende Roman hingegen ermöglicht den Leser/innen eine größere Distanz. Denn trotz der Ich-Perspektive erlebt man die Emotionen desjenigen, dem es gerade schlechter geht, immer aus der Sicht des anderen mit. Viele Gefühle und Gedanken werden nur angedeutet und es obliegt den Leser/innen, sie zu interpretieren. Dadurch ist die Geschichte zwar nicht so emotional aufwühlend, der Kampf gegen den Krebs und die Tatsache, dass er Mias und Zacs Leben bestimmt, wird jedoch sehr einfühlsam geschildert. Wie schwierig und vor allem überlebenswichtig es ist, sich auf den jeweils anderen einzulassen, wenn man so doch so viel mit sich selbst zu tun hat, wird sehr subtil erzählt. Mias verzweifelter Kampf, ihren Körper mit der Krankheit anzunehmen, ein neuen Lebensentwurf zu beginnen, berührt ebenso, wie Zacs verzweifelter Versuch, sich nicht vom Krebs unterkriegen zu lassen. Die sich entwickelnde Liebe - auch hier ein Kontrast zu "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" - ist ein wichtiger Teil der Handlung, steht jedoch nicht im Vordergrund.

Der Roman schildert empathisch und sensibel, wie wichtig das gegenseitige "Halten" und Mut machen ist, um den Kampf gegen eine unberechenbare Krankheit, die weder mit Wut noch mit Statistiken zu bändigen ist, aufzunehmen.

Ein lesenswerter Roman!