Rezension Rezension (4/5*) zu Die Tote im Wannsee: Kriminalroman von Lutz Wilhelm Kellerhoff.

Matzbach

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OWL
Buchinformationen und Rezensionen zu Die Tote im Wannsee: Kriminalroman von Lutz Wilhelm Kellerhoff
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Ende Oktober 1968: im Wannsee

Ende Oktober 1968: im Wannsee wird die Leiche einer erstochenen Frau entdeckt, es braucht seine Zeit, bis ihre Identität geklärt ist. Es handelt sich um eine junge Mutter, die bei dem damals linksradikalem (und heute neofaschistischen) Anwalt Horst Mahler als Büroangestellte gearbeitet hat. Ihre Eltern lenken den Verdacht auf den schlagenden Ehemann, der tatsächlich festgenommen wird und dessen in der Haft vollzogene Selbstmord den Verdacht gegen ihn zu bestätigen scheint. Insofern legt der Chef der Mordkommissions Wert darauf, den Fall als abgeschlossen zu betrachten. Doch Kommissar Wolf Heller hat da so seine Zweifel, woher hatte die Frau die 12000 DM auf ihrem Sparbuch, die außerhalb der Möglichkeiten ihres Verdienstes lagen? Warum hatte der Ehemann vor seinem Selbstmord seine Unschuld beteuert, wo sind die Kinder und nicht zuletzt, wer ist der Mann mit dem Luxus-BMW, der mehrfach an der seite des Opfers gesehen wurde? Also ermittelt er weiter und stößt auf Spuren in der eigenen Abteilung und weitere Ungereimtheiten, deren Ursprünge im kalten Krieg liegen.

Zudem gerät der junge Kommissar, der wegen des frühen Todes seiner Mutter im Clinch mit seinem Nazivater liegt, privat in einige Nöte. Soll er seine langjährige Vermieterin, deren Kinder ihn als Vaterersatz akzeptiert haben, heiraten. Was ist mit der jungen Amerikanerin Louise, die er im Zuge der Ermittlungen kennenlernt und die sich als Teil einer linken Kommune entpuppt? Das alles findet vor dem Hintergrund der sich gegen Ende der Jahres 1968 vollziehenden Spaltung der Studentenbewegung ab. Nach dem Attentat auf Rudi Dutschke ist die Empörung groß und einige Agitatoren versuchten, diese für ihre Ziele, die endgültige Radikalisierung der Studenten, auszunutzen. Tatsächlich markierte die im Roman beschriebene Schlacht am Tegeler Forst den Auftakt zur Gewalt, dem mit der Gründung der RAF eine ungleich folgenschwerere Entwicklung folgte, die aber zugleich viele Sympathisanten verschreckte und damit dem Zerfall des SDS Vorschub leistete.

Erschreckend, aber nicht neu ist die Erkenntnis aus einem Dialog im Vorfeld der Schlacht, der eigentlich nur am Rande des Romans eine Rolle spielt. Eine Linksextreme gibt darin Louise gegenüber antisemitische Vorurteile preis. Dass dies keine Erfindung der drei Autoren ist, zeigt der Verlauf der tatsächlichen Geschichte, zahlreiche RAF-Aktivisten ließen sich von der PLO schulen, und vielleicht ist vor diesem Hintergurnd auch der Weg des realen Mahler nicht mehr ganz so überraschend. Aber dennoch bleibt die Frage, wie war es möglich, dass aus der berechtigten Empörung über die Sünden der Naziväter und die Tatsache, dass viele davon in der Bundesrepublik und West-Berlin in Amt und Würden kamen, damit vereinbar.

 
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Ende Oktober 1968: im Wannsee


Ende Oktober 1968: im Wannsee wird die Leiche einer erstochenen Frau entdeckt, es braucht seine Zeit, bis ihre Identität geklärt ist. Es handelt sich um eine junge Mutter, die bei dem damals linksradikalem (und heute neofaschistischen) Anwalt Horst Mahler als Büroangestellte gearbeitet hat. Ihre Eltern lenken den Verdacht auf den schlagenden Ehemann, der tatsächlich festgenommen wird und dessen in der Haft vollzogene Selbstmord den Verdacht gegen ihn zu bestätigen scheint. Insofern legt der Chef der Mordkommissions Wert darauf, den Fall als abgeschlossen zu betrachten. Doch Kommissar Wolf Heller hat da so seine Zweifel, woher hatte die Frau die 12000 DM auf ihrem Sparbuch, die außerhalb der Möglichkeiten ihres Verdienstes lagen? Warum hatte der Ehemann vor seinem Selbstmord seine Unschuld beteuert, wo sind die Kinder und nicht zuletzt, wer ist der Mann mit dem Luxus-BMW, der mehrfach an der seite des Opfers gesehen wurde? Also ermittelt er weiter und stößt auf Spuren in der eigenen Abteilung und weitere Ungereimtheiten, deren Ursprünge im kalten Krieg liegen.

Zudem gerät der junge Kommissar, der wegen des frühen Todes seiner Mutter im Clinch mit seinem Nazivater liegt, privat in einige Nöte. Soll er seine langjährige Vermieterin, deren Kinder ihn als Vaterersatz akzeptiert haben, heiraten. Was ist mit der jungen Amerikanerin Louise, die er im Zuge der Ermittlungen kennenlernt und die sich als Teil einer linken Kommune entpuppt? Das alles findet vor dem Hintergrund der sich gegen Ende der Jahres 1968 vollziehenden Spaltung der Studentenbewegung ab. Nach dem Attentat auf Rudi Dutschke ist die Empörung groß und einige Agitatoren versuchten, diese für ihre Ziele, die endgültige Radikalisierung der Studenten, auszunutzen. Tatsächlich markierte die im Roman beschriebene Schlacht am Tegeler Forst den Auftakt zur Gewalt, dem mit der Gründung der RAF eine ungleich folgenschwerere Entwicklung folgte, die aber zugleich viele Sympathisanten verschreckte und damit dem Zerfall des SDS Vorschub leistete.

Erschreckend, aber nicht neu ist die Erkenntnis aus einem Dialog im Vorfeld der Schlacht, der eigentlich nur am Rande des Romans eine Rolle spielt. Eine Linksextreme gibt darin Louise gegenüber antisemitische Vorurteile preis. Dass dies keine Erfindung der drei Autoren ist, zeigt der Verlauf der tatsächlichen Geschichte, zahlreiche RAF-Aktivisten ließen sich von der PLO schulen, und vielleicht ist vor diesem Hintergurnd auch der Weg des realen Mahler nicht mehr ganz so überraschend. Aber dennoch bleibt die Frage, wie war es möglich, dass aus der berechtigten Empörung über die Sünden der Naziväter und die Tatsache, dass viele davon in der Bundesrepublik und West-Berlin in Amt und Würden kamen, damit vereinbar.


Mich hat an diesem Krimi vor allem der geschichtliche Hintergrund interessiert. Ich fände es auch spannend, wenn daraus eine Krimireihe würde, das Potential dazu wäre da.