Rezension Rezension (4/5*) zu Die schöne Fanny von Pedro Lenz.

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28. Oktober 2019
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Baden Württemberg
lieslos.blog
...lesenswert...

Der ca. 250 Seiten lange Roman, in dem es u. a. um Freundschaft, Vertrauen, Liebe und Eifersucht geht, spielt in einer Kleinstadt in der Schweiz.

Es geht um drei Freunde,
die das Leben mit all seinen Genüssen lieben und die sich ruhig, gelassen und zufrieden durch ihren Alltag treiben lassen.

Es geht um Louis Brunner und Gregor Grunder, genannt Grunz, zwei knapp 70jährige Maler und um den ca. halb so alten Frank Gobeur, von allen nur Jackpot genannt, der das Glück nicht gerade gepachtet hat und der nicht gerade auf der Sonnenseite des Lebens steht; zumindest was Erfolg und finanzielles Auskommen betrifft.

Jackpot ist ein bis dato erfolgloser Schriftsteller, der gerade den roten Faden für seinen neuen Roman gefunden hat und mit Hilfe der Finanzspritzen seines großzügigen Bruders und gelegentlichen Wettgewinnen über die Runden kommt.

Und da ist die schöne Fanny, eine unbeschwerte und geheimnisumwitterte Kunststudentin, die den beiden Malern Modell steht und ihnen, sowie Jackpot gehörig den Kopf verdreht.

Ich fand es sehr interessant, ein soziales Milieu kennenzulernen, das mir bisher recht fremd war und spannend war, dass und wie Fanny es schafft, das behaglich und gleichförmig dahinplätschernde Leben der drei Freunde Grunz, Louis und Jackpot aufzuwirbeln.

Der Roman ist in alltäglicher, wenig poetischer Sprache geschrieben, kommt frisch und leichtfüßig daher, ist äußerst unterhaltsam und hat Witz und Humor.

Ich stolperte über schön formulierte Sätze wie z. B. „Es war nicht einfach, aus dem Schatten der ständigen Niederlage ins Licht des Sieges zu wechseln. Ihr Gefühlsleben war seit Jahren darauf konditioniert gewesen, enttäuschte Hoffnungen zu verdauen.“

Und ich erfreute mich an präzise beschriebenen Alltagsszenen wie z. B. „Danach konnten die Leute Fragen stellen. Es waren natürlich ein paar Deppen darunter, die die Situation ausnutzten, um den anderen Anwesenden zu zeigen, wie wahnsinnig belesen sie sind. Ich meine die, die gar keine richtigen Frage stellen, sondern eine Abhandlung von sich geben und die Frage nur als Vorwand brauchen, um möglichst breitspurig darüber zu referieren, was sie schon alles gelesen und begriffen haben.“ Toll beobachtet und ausgedrückt, oder?

Das Buch ist auch deshalb lesenswert, weil es viele Erfahrungen und Lebensweisheiten auf den Punkt bringt. Z. B. über Eifersucht, Schlaf oder wilde Männer.

Und am Schluss wird man noch mit einem überraschenden, raffinierten und sehr gelungenen Ende belohnt.

Ach ja: Auf den Creux du Van möchte ich seit der Lektüre unbedingt wandern und das Chanson „Ne me quitte pas“ von Jacques Brel geht mir nicht mehr aus den Ohren.

 
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