Rezension (4/5*) zu Die Schlange im Wolfspelz von Michael Maar

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Kurzmeinung: Als Printausgabe gehörts in den Fundus jedes Bibliophilen.

In dem durch Anhang und Anmerkungen ziemlich fetten Schinken von Michael Maar verfolgt der Autor zwei verschiedene Heransgehensweisen an sein Thema, einmal die Erläuterung und Erklärung und zweitens das Beispiel. So weit. So gut. Bestens sogar. Didaktisch und methodisch wunderbar. Das Thema ist die gute Literatur. Wie erkennt man sie? Ist guter Stil erkennbar? Lernbar? Was sind die NoGos.

Den ersten theoretischen Teil des Buches habe ich sehr geschätzt. Michael Maar referiert über Stil und Inhalt in amüsanter und gekonnter Weise. Ich habe oft gelacht, mich bestätigt gefühlt in mancher Einschätzung von Romanen, beim Bekritteln der Verwendung von Phrasen, etc. etc. und manches gelernt.

Drei Zitate als Appetizer:
„Wer nicht merkt, daß etwas ursprünglich Originelles nach millionenfacher Abnutzung nur noch abgeschliffen und trüb ist, hat kein Stilgefühl“. (Ich sage mal dazu, wandaesk und lakonisch, „aussagekräftige Rezension“).

„Über das Tragische ist nicht flapsig zu reden, über Triviales nicht pathetisch“.
„Es gibt keine Regeln, jedenfalls kann man sie alle brechen, aber man muss es können.“ Weil Kunst von Können kommt, siehe Überschrift. Erst mal muss man die Regeln beherrschen, dann kann man sie eventuell brechen. Das gilt nicht nur für die Literatur, sondern auch für alle übrige Kunst und deshalb sind abstrakte Bilder, ob von Affen, Computern oder kleinen japanischen Wunderkindern gemacht, keine Kunst im eigentlichen Sinne.

Im zweiten Teil bringt Michael Maar sehr viele Beispiele, großzügige Textauszüge namhafter Autoren. Dabei kennt man manche der Schriftsteller, manche nicht, anyway, lernt man sie kennen. Diese Textbeispiele sind mir allerdings zu ausufernd geraten. Statt dessen hätte ich mehr Wert auf ergänzende Erläuterungen gelegt.

Die ausführlichen Textbeispiele, von denen ich einige auch übersprungen habe, um sie vielleicht später nachzulesen, sind dann im Ebook nicht einmal mehr ohne großen Aufwand wiederzufinden, da das Personenregister, - wenigstens vorhanden, danke – weder einen Positionsverweis noch eine Anklickmöglichkeit bietet. Also weder direkt noch indirekt kann man danach suchen. Das ist ein ärgerliches Manko. Für die ebook-Ausgabe gibt es dafür Punkt-Abzug.

Auch das Literaturverzeichnis ist erst nach langem Scrollen durch den gesamten Anhang hindurch, aufspürbar. So hat das Werk, zumindest in der digitalen Ausgabe, als Nachschlagewerk an Reiz und Wert verloren, den es durchaus beides hätte haben können. Vielleicht gibt es in der Printausgabe wenigstens Seitenangaben, das konnte ich nicht nachprüfen.

Während die theoretischen Erläuterungen dieses Sachbuches also salopp gesagt, erste Sahne sind, sind die literarischen Beispiele dazu, viel zu üppig ausgefallen.
Aber das wahrhaft Ärgerliche ist die elektronische Verarbeitung. Hier könnte man sicherlich nachbessern. Dann gäbe es auch die volle FünfSternezahl.

Fazit: Die Liebe zur Literatur ist fühlbar! Daher ist „Die Schlange im Wolfspelz“ ein starkes Buch mit wunderbaren Erläuterungen zu Stil und Stilepochen mit ausführlichen Romanauszügen namhafter Autoren, das Gewicht liegt dabei allerdings fast ausschließlich auf der alten klassischen Weltliteratur, die Moderne wird vernachlässigt.

Hauptkritikpunkt ist die Digitalausgabe, bei der der Nachschlagewert des Sachbuchs durch fehlende Anklickmöglichkeiten gegen Null geht. Schade. Das wäre das I-Tüpfelchen gewesen. Eine entsprechende Nachbesserung lege ich dringend ans Herz. Es ist noch Zeit bis zum offiziellen Erscheinungstermin.

Kategorie: Sachbuch: Literaturwissenschaft
Verlag: Rowohlt, 2021
 

Barbara62

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19. März 2020
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Büchergilde klingt wie eine Nachfolgeorganisation vom BertelsmannBücherring. What*s that?
Nein, gar nix Bertelsmann! Die Büchergilde wurde ursprünglich von der Gewerkschaft gegründet, um Arbeitern Zugang zu hochwertigen Literaturausgaben zu verschaffen. Die Ausgaben sind herstellungstechnisch hervorragend und in der Regel ein paar wenige Euro billiger als die Originalausgaben. Die Büchergilde, die heute nichts mehr mit der Gewerkschaft zu tun hat, kauft bei den Verlagen Lizenzen und macht diese eigenen Ausgaben, deshalb ist die Preisdifferenz vom Buchpreisbindungsgesetz gedeckt.
 
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Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Ich bin selbst nicht Mitglied, aber meine Eltern gehörten dazu. Ich erinnere mich immer noch gern daran, wie der neue Katalog kam und wir uns alle was daraus aussuchen durften. Ich verdanke der Büchergilde meine Begegnung mit James Krüss. Seine phantastischen Geschichten und seine Verliebtheit in Wortgesang und Buchstabenbilder haben mich fürs ganze Leben geprägt.