Der junge Tsukuru Tazaki ist Teil einer Clique von fünf Freunden, deren Mitglieder alle eine Farbe im Namen tragen. Nur Tsukuru fällt aus dem Rahmen und empfindet sich – auch im übertragenen Sinne – als farblos, denn anders als seine Freunde hat er keine besonderen Eigenheiten oder Vorlieben, ausgenommen vielleicht ein vages Interesse für Bahnhöfe. Als er nach der Oberschule die gemeinsame Heimatstadt Nagoya verlässt, um in Tokio zu studieren, tut dies der Freundschaft keinen Abbruch. Zumindest nicht bis zu jenem Sommertag, an dem Tsukuru voller Vorfreude auf die Ferien nach Nagoya zurückkehrt – und herausfindet, dass seine Freunde ihn plötzlich und unerklärlicherweise schneiden. Erfolglos versucht er wieder und wieder, sie zu erreichen, bis er schließlich einen Anruf erhält: Tsukuru solle sich in Zukunft von ihnen fernhalten, lautet die Botschaft, er wisse schon, warum. Verzweifelt kehrt Tsukuru nach Tokio zurück, wo er ein halbes Jahr am Rande des Selbstmords verbringt.
Viele Jahre später offenbart sich der inzwischen 36-jährige Tsukuru seiner neuen Freundin Sara, die nicht glauben kann, dass er nie versucht hat, der Geschichte auf den Grund zu gehen. Von ihr ermutigt, macht Tsukuru sich auf, um sich den Dämonen seiner Vergangenheit zu stellen.Kaufen
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Im Alter von 20 Jahren empfindet sich Tsukuru Tazaki selbst als Mittelmaß. Er hat keine nennenswerten Hobbies oder besondere Fähigkeiten. Seine Erscheinung ist langweilig, er
"errötete häufig, war ungewandt im gesellschaftlichen Umgang und aufgeregt, wenn er jemandem zum erstem Mal begegnete" (S. 16).
Alles in allem: Tsukuru ist farblos.
Umso mehr genießt er die Freundschaft zu vier Gleichaltrigen - 2 Jungen und 2 Mädchen. Die Fünf bilden eine verschworene Gemeinschaft, die von Harmonie geprägt ist.
Doch irgendetwas passiert. Seine Freunde verstoßen Tsukuru aus ihrer Gemeinschaft. Für ihn bricht eine Welt zusammen. Er wird lange brauchen, um sich von diesem Schlag zu erholen. Jahre später lernt er Sara kennen, die ihm mit der Zeit immer wichtiger wird. Sie ermutigt ihn, sich der Vergangenheit zu stellen und heraus zu finden, warum die Freunde sich damals von ihm abgewandt haben.
"'Zum ersten Mal in meinem Leben verweigerte jemand so radikal den Umgang mit mir', sagte Tsukuru. 'Noch dazu meine vier besten Freunde, denen ich mehr vertraute als jedem anderen und die mir so nah waren, als wären sie ein Teil von mir. Mein Schock war so groß, dass ich mich kaum auf den Beinen halten konnte. Ich war völlig außerstande, der Ursache oder einem möglichen Missverständnis nachzugehen. Es war, als wäre etwas in mir durchtrennt worden.'" (S. 36)
Der Sprachstil Murakami's ist sehr speziell. Er ist ein Meister der Metaphern und Doppeldeutigkeiten. Es macht Spaß, seinen Gedankengängen zu folgen und bei einigen Passagen zu verharren, um die Zweideutigkeit auf sich wirken zu lassen.
Ich hoffe, dass dies eine Eigenart ist, die sich auch in anderen Büchern Murakami's wiederfindet.
"'... es war, als hätte man mich plötzlich nachts vom Deck eines Schiffes ins eiskalte Meer geworfen.... In der Situation weißt du nicht, ob du gestoßen wurdest oder gefallen bist. Das Schiff fährt weiter, und du siehst aus dem kalten, dunklen Wasser zu, wie die Lichter auf Deck sich immer mehr entfernen. Keiner auf dem Schiff, weder ein Passagier noch die Mannschaft, weiß, dass du ins Meer gefallen bist. Es gibt nichts, woran du dich festhalten könntest. Noch heute verspüre ich manchmal die Panik von damals. Die Angst davor, dass meine Existenz abgelehnt wird und ich allein ins nächtliche Meer geschleudert werde, ohne zu wissen, was ich getan habe" (S. 251)
Es gibt aber auch Stellen in dem Buch, die ich nicht verstanden habe. Murakami lässt z. B. Tsukuru träumen oder lässt Tsukuru's späteren Freund Haida eine Geschichte erzählen. Tsukuru's Träume konnte ich noch größtenteils mit der Handlung in Einklang bringen. Bei der Geschichte des Freundes ist es mir nicht gelungen - obwohl die Geschichte für sich genommen sehr originell ist.
Im Verlauf der Handlung eröffnen sich unterschiedliche Möglichkeiten, die den Leser dazu bringen, über das Ende zu spekulieren. Aber meistens kommt es anders als man denkt. Als ich die letzten Seite gelesen habe, war ich zunächst ratlos und auch ein wenig enttäuscht. Denn das Ende hat bei mir viele Fragezeichen hinterlassen. Ich musste nochmal eine Nacht darüber schlafen, bis ich mich mit dem Ende arrangiert habe. Doch das gehört für mich auch zu einem guten Buch: nicht "einfach Buch zuklappen und das war's" sondern sich mit dem Gelesenen auch im Nachhinein gedanklich zu beschäftigen. Und hier bin ich bei Murakami voll auf meine Kosten gekommen.
© Renie
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